Seite - 333 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20
Bild der Seite - 333 -
Text der Seite - 333 -
Nicmbsch 333 Niembsch
hindert. Aber am 20. October sprang
er mit dem Rufe: „ In die Freiheit will
ich" am frühen Morgen im Hemde aus
seiner damaligen Parterrewohnung auf
die Straße und lief an die hundert
Schritte weit, bis er durch einen der
genannten Freunde eingeholt und zurück»
gebracht wurde. Von da an tobte er
ununterbrochen, nahm weder Speise
noch Arznei und zwei Tage darauf, am
22., mußte er unter dem Geleite seines
treuen Freundes Gustav Pfitzer in die
drei Fahrstunden von Stuttgart entle»
gene königliche Heilanstalt zu Winnen«
thal, deren Director Hofrath Dr.Zeller
war, gebracht werden. I n Winnenthal
besuchte ihn zuerst sein Schwager Schurz,
dann IustinuS Kern er und später Ana»
stasius Grün , der diese Begegnung in
den drei, „Winnenthal 1843" überschrie-
benen Sonetten, beginnend: „Welch Wie-
derseh'n! Zerstörung und Entsetzen" schil«
dert. I n Winnenthal sprach Niembsch
noch in einem seiner helleren Augenblicke
das in Fran kl's „Sonntagsblättern"
1843, S. 293, mitgetheilte Sonett, das
„'s ist eitel nichts, wohin mein Aug' ich
hefte" beginnt und daS er nach seiner
Angabe auf der letzten Reise zwischen
Zernolding und München, Nachts, im
rollenden Eilwagen, schon sehr krank,
„aus Vorwitz, ob er unter so feindlichen
Umständen wohl noch zu dichten ver-
möchte", gedichtet. Es ist dieß somit das
letzte Gedicht Lenau's. Dritthalb Jahre
brachte der kranke Dichter in Winnenthal
zu, wo namentlich in der ersten Zeit die
ihn behandelnden Aerzte fast zuverstcht-
lich auf seine Genesung hofften. Aber
wenn eine andauernde Besserung seines
Zustandes einen solchen Hoffnungsschim«
mer aufleuchten ließ. stellte sich mit einem
Male wieder ein fürchterlicher Anfall
ein, daß alle Hoffnung in die alte Nacht zurücksank. Endlich meinte man, daß
eine Veränderung seines Aufenthaltes,
daß die Heimkehr in sein Vaterland ihn
möglicher Weise retten könne, und eS
wurde beschlossen, ihn nach Wien brin«
gen zu lassen. Ende April 1847 stellte
sich sein Schwager Schurz in Winnen-
thal ein, um die nöthigen Vorbereitungen
zum Transporte des Kranken zu treffen,
und am 13. Mai trat er in Begleitung
des Krankenwärters, Sachsenheimer,
der selbst Poet. um 7 Uhr Morgens
die Heimfahrt an. Am 16. Mai, nach
einer von Fahrlichkeiten mancherlei Art
begleiteten Reise trafen 5>ie Reisenden
mit dem Dampfschiffe in Nußdorf ein
und von dort wurde Niembsch sofort
nach Oberdöbling in die Irrenanstalt
des Doctor Görgen überbracht. Eine
im Juli 4847 durch des Dichters Eura-
tor, den nachmaligen Minister Dr.
Bach, berufene Versammlung von be«
währten Aerzten sprach sich über den
Zustand des Kranken hoffnungslos aus.
So führte er denn noch volle drei Jahre
dieses Unleben, denn Leben kann man
solchen Zustand doch nicht nennen, bis
am 22. August 1830 Morgens 6 Uhr
endlich auch der Körper der Natur ihren
Tribut bezahlte. Sein leiblicher Tod
war eine Erlösung. Im Sommer 4849
hatte noch 3. A. Frank! den Maler
I . M. Aigner nach Dödling gebracht,
der die gebrochene Gestalt mit der kran«
ken Seele — ein gelblich bleiches Gesicht,
langes Haar, voller Bart, ein Auge voll
Wehmuth, dem Fragenden begegnend —
im Lehnstuhl gekauert antraf und unter
herzzerschneidendem Wimmern des Ar»
men, fieberhaft aufgeregt, die Contur
mtwarf und mit dem halbvollendeten
Bilde davoneilte. Einen Tag nach dem
Tode, am 23. August Morgens, wurde
die Leichenöffnung vorgenommen. Ein,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Band 20
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Nabielak-Odelga
- Band
- 20
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1869
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon