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schon früher einmal Hand an sich gelegt,
in einem Anfalle von Trübsinn dieses
Attentat auf sich selbst wiederholte und
mit dem zweiten sein Ziel erreichte. Van
der Nu l l , der schon im September 4861
Titel und Rang eines k. k. Oberbau-
rathes erhalten hatte, bat im Jahre
1864 um Versetzung in den bleibenden
Ruhestand, welche ihm auch mit Allerh.
Entschließung vom 17. October g. I .
unter den günstigsten Verhältnissen ge<
währt wurde. Er hatte diese Bitte in
Rückficht seiner stark angegriffenen Ge-
sundheit gestellt und sich auch im ge-
nannten Jahre, in welchem eben die
deutschen Architekten in Wien tagten, in
die Berge geflüchtet, um sein hartnacki-
ges Augenleiden durch Ruhe und unge»
störten Aufenthalt in der Natur zu
bekämpfen. Wenngleich im Ruhestand
lebend, so nahm er doch an der Reform
der Kunstakademie im Jahre 1863 leb-
haften Antheil, trat auch in den akade-
mischen Rath ein und betheiligte sich an
den Berathungen über Reorganisation
der Arcbitektenschule. N. war in den
lchten Tagen sehr leidend und das Lei-
den steigerte sich mit den Verdrießlich,
keiten, die ihm der Bau des Opernhauses
mit jedem Tage in Hülle und Fülle brachte,
nur noch mehr. Er lebte im lchten
Jahre, in welchem er auch noch geheira»
thet, in der Villa seines Freundes, des
Architekten La Vign ier , in der Vor-
stadt Mariahilf und dort hatte er sich
am 3. April Morgens gegen sieben,
indem er sich an der Thüre seines
Arbeitszimmers erhing, von den irdischen
Leiden selbst befreit. N. war 86 Jahre
alt geworden, hatte eine junge Frau, die
sich eben Mutter fühlte und — kein Ver-
mögen hinterlassen. Die Theilnahme, die
man dem unglücklichen Künstler im Tode
bezeugte, war groß und allgemein. Sein Leichenbegängniß, an dem sich die Ver-
treter der Kunst und Wissenschaft und
die Bevölkerung Wiens in Massen be«
theiligte, war ein ehrenvolles. Er wurde
im eigenen Grabe auf dem Währin-
ger Friedhofe beigeseht. Bald nach sei«
nem Tode wurde zur Errichtung einer
„Van der Null-Stiftung" eine Sub-
scription eingeleitet, welche schon in den
ersten Tagen das Ergebniß einer Summe
von mehr denn zehntausend Gulden auf-
wies. Nichtsdestoweniger zeigte sich aber
auch Angesichts des Todes die mensch-
liche Erbärmlichkeit in ihrer ganzen
Größe: der Antrag im Wiener Inge-
nieur» und Architektenverein, dem Todten
einen Nachruf zu widmen, scheiterte an
der Opposition der Mehrzahl, welche den
Einwand vorbrachte, van der Nu l l sei
nicht — Mitglied gewesen. Als ob nur
die Mitgliedschaft Anrecht auf Camera-
derie im Leben und Anerkennung nach
dem Tode gäbe. Jene. die den An»
trag werfen halfen, werden wohl die
tieferliegendcn Motive solcher Verirrung
gekannt haben. Sein Freund, Kunst-
und jahrelanger Lebensgefährte Sic-
cardsburg folgte ihm in wenigen
onaten in's Jenseits nach. Nach sei»
nem Tode wurde im Monate August
1868 während der Dauer der Künstler-
feste in einem der Säle des neuen
Opernhauses eine Ausstellung der sammt-
lichen Arbeiten beider Künstler veranstal-
tet und das Ergebniß des Eintrittsgeldes
der van der N ü l l» Stiftung zugewendet.
I n dem einen der Vorhänge für die
Bühne des neuen Opernhauses befinden
sich in der Gruppe der „Sckatten" die
wohlgetroffenen Porträte van der Null 's
und SiccardSburg's. Auch geneh-
migte Se. Majestät, daß die Medaillons
beider Künstler an geeigneter Stelle im
neuen Opernhause angebracht und so die
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Band 20
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Nabielak-Odelga
- Band
- 20
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1869
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon