Seite - 94 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - O'Donnel-Perényi, Band 21
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Vrges Wrges
der Machtstellung und der inneren Ent°
Wickelung Oesterreichs nothwendig er«
scheinen läßt. Sein Streben für diese
Ziele äußerte sich aber ebenso auf dem
Gebiete der Tagespreise selbst, als auch
durch Verbindungen, welcke er nach und
nach in Folge seiner publicistischen Thä-
tigkeit gewann. Daß er dabei an große
Schwierigkeiten stieß, begreift jeder, der
mit den Redactionsverhaliniffen großer
Blätter nur einigermaßen vertraut ist.
Zu diesen bei jedem großen Blatte mehr
oder minder obwaltenden Schwierigkeiten
gesellten sich aber bei der „Allgemeinen
Zeitung" noch andere aus den dort wal°
tenden Personalverhaltniffen entsprin-
gende. Die Besitzer des Blattes, sonst
sehr ehrenwcrthe Persönlichkeiten, glänz»
ten durch eine unglaubliche Unkenntniß
über die Aufgaben der Politik an sich,
wie über die Natur der Presse und
natürlich auch über den Gebrauch der
Presse zur Erreichung bestimmter poli»
tischer Aufgaben und Ziele. Bis vor
Orges' Eintritt in die Redaction fehlte
ein eigentliches Programm, dazu jede
Organisation, ja man schien die Bedeu-
tung einer Organisation, ungeachtet das
Blatt hohe Politik trieb, gar nicht zu
begreifen. Wenn sich dabei trotzdem
Ordnung und Regelung fanden, so
geschah dieß mehr durch die Macht der
Dinge selbst, als durch den entscheidenden
Einfluß eines leitenden Geistes, der. von
einer gewissen Idee durchdrungen, dar-
nach seine Verfügungen traf. Nun auch
Orges, nachdem er in die Redaction
eingetreten, war es nicht gelungen, die
Annahme eines bestimmten Programms
durchzusetzen, aber doch einigermaßen in
dieses Chaos Ordnung zu bringen. Der
zu befehlen gewohnte, mit einem orga«
nisatorischen Geiste begabte ehemalige
Soldat, der nicht nur anzuordnen, son» dern auch die Ausführung der einmal
verfügten Anordnung zu überwachen
pflegt, war hier ganz am rechten Flecke.
Nnd Alles ging gut, ja diese Energie
des ebenso militärisch als auch sonst
noch tüchtig gebildeten jungen Mannes
trug. gefördert durch die Bequemlichkeit
der Nebrigen, welche froh waren, wenn
ein Anderer für sie eingriff, so lange sie
nur die Früchte dieser neuen schaffenden
Thätigkeit ungestört genoffen, bald
ihre Früchte. Als aber diese sichtbaren
Erfolge, an denen sie denn dock nicht
den. geringsten Antheil besaßen, ihre
Eitelkeit zu verletzen begannen, jetzt
wurde die Thätigkeit des energischen
Arbeiters und theilweisen Reformators
erschwert und wurden ihm alsbald
allerlei Hindernisse bereitet. Wie oben
bemerkt, hatte OrgeS immer Oesterreichs
Interessen im Auge behalten, und obgleich
seine specielle Redaction nur den franzö«
fischen, belgischen und spanischen Artikel
umfaßte, wußte er doch bis zum Jahre
1860 einen entscheidenden Einfluß auf
den Charakter und Gang der „Allge-
meinen Zeitung" zu behaupten. AuS
dem durch Lage und Verbindungen be>
dingten unbewußten, den Interessen der
Mittelstaaten dienenden, folglich anti-
preußischen und Oesterreich zugewandten
Organe, wurde mit einem Male ein
bewußtes großdeutsches Blatt. Es ward
vor Allem eine factische Unterordnung
unter die österreichische Politik erzielt
und mittelst der „Allgemeinen Zeitung"
und außerhalb derselben namentlich der
Kampf gegen das „zweite Kaiserreich"
mittelst einer auf die Eigenthümlichkeit
der Presse berechneten Tactik begonnen.
Natürlich entsprangen für O. aus diesen
neuen Verhältnissen neue und stets wach«
sende Conflicte mit den Eigenthümern des
Blattes, welche nicht dieser Ansicht waren;
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
O'Donnel-Perényi, Band 21
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- O'Donnel-Perényi
- Band
- 21
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 542
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon