Seite - 90 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Pergen-Podhradszky, Band 22
Bild der Seite - 90 -
Text der Seite - 90 -
Petöfi l
len der Armee theilnehmen, bei ihrem
Siege aber nicht zugegen sein sollte. Es
rollte kein Donner der Kanonen, es saus-
ten und toseten keine Waffen, als ich in
Hermannstadt ankam, eS war still und
ruhig — der Feind hatte sich in die Wa>
lachei zurückgezogen. I n Hermannstadt
fand ich Bem, ich begab mich zu ihm
als einfacher gemeiner Soldat, ohne An-
sprüche und Wünsche, er aber verlieh
mir neuerdings die Hauptmannscharge
und machte mich zu seinem Adjutanten.
Das erste nahm ich gleichgiltig an. das
zweite mit Entzücken. Tags darauf brachen
wir gegen Gyula.FcMvär auf. welches
wir am selben Tage ungefähr drei Stun«
den lang bombardirten und zur Capitn-
lation aufforderten, die Antwort der
Festung kam aus Vierundzwanzigpfün-
dern. Der General ließ daS zur Cerni«
rung nöthige Corps zurück und begab
sich nach Szäßsebes. Morgen oder über-
morgen brechen wir nach Ungarn auf.
. . . Gestern hat Bem einige Verdienst-
Medaillen an die Bravsten der Braven
in seinem Heere vertheilt. Schreiber die-
sei Zeilen hatte daS Glück, unter diese zu
gehören. So bin ich auch am Ende be-
lohnt, jedoch über mein Verdienst, aber
nicht bloß durch die Medaille, sondern
durch die Art, wie sie mir von Bem
überreicht wurde. Mag es Schwäche sein
oder was immer, so kann ich mich doch
nicht enthalten, diese Scene zu beschiel-
ben. Mil eigener Hand, mit der linken,
die rechte — weil Bem verwundet war
— ist noch immer aufgebunden, hef«
tete mir der General die Medaille mit
den Worten an die Brust: „ich hefte sie
Ihnen mit der linken Hand auf, mit der
Hand ober meinem Herzen", sodann um«
armte er mich und hielt mich lange warm
umschlungen. Die Welt weiß doch. ich
bin kein sehr bescheidener Mensch, aber D Petöfi
bei Gott, so viel habe ich nicht verdient.
Mit einer Rührung, bei deren Erinnerung
mein Herz noch jetzt erzittert, erwiederte
ich: „Mein General! ich verdanke Ihnen
mehr als meinem Vater; mein Vater hat
mir nur daS Leben gegeben, Sie aber
geben mir meine Ehre." Späterhin, heißt
eS, sei Petäf i in einem der Departe-
mentS deS Kriegsministeriums als eine
Art Militärreferent mit dem Range eines
Oberstlieutenants angestellt gewesen. I n
Folge eines Streites mit dem Kriegs«
Ministerium habe er aber dann plötzlich
seine Entlassung genommen. Er trat nun
wieder in die Reihen der Honväds; traf
im Juli mit B em in der Moldau zusam-
men und kam mit ihm nach MaroS»
Vä^rhely. Nun tritt die rathselhafte Ka-
tastrophe seines Verschwindens ein. Es
war am 31. Juli 1849. Die Schlacht bei
Schäßburg wüthete von 10 Uhr Mor«
gens bis 7 Uhr Abends. Der Flügeladju«
tant des Czaren, General Skar ia t in ,
hatte in derselben den Tod gefunden,
Bem war vom Pferde gestürzt und konnte,
wahrend sein Generalstab zersprengt
wurde, nur mit Mühe gerettet werden.
Petof i sah man während deS Kampfes
in B em'S Umgebung, am Kampfe selbst
theilnehmend, dann will man ihn mit
zwei oder drei Anderen quer über den
Kampfplatz einem Welschkornfelde zu«
schreiten gesehen haben — seit dieser Zeit
sah ihn Niemand wieder. Er ist verschal-
len, es fand sich weder sein Leichnam
vor. noch er selbst sich unter den Gefan«
genen oder Emigrirten. ES tauchten spä«
ter hin und wieder Vermuthungen über
sein Verschwinden auf. ja die Gerüchte
über die Art und Weise seines Verschrotn»
denS bilden förmlich eine kleine Litera«
tur. Und merkwürdig! Petöf i 's Name
wurde von seinen Zeitgenossen in eine
mythische Wolke eingehüllt, eine Wolke.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Pergen-Podhradszky, Band 22
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Pergen-Podhradszky
- Band
- 22
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 534
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon