Seite - 153 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Pergen-Podhradszky, Band 22
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Petzmayer 183 Petzmayer
der wehmüthigen Gesänge dient, welche
die in der einsamen Gebirgswelt denSom
mer verlebenden Senner und Sennerinen
in ihrer Sehnsucht nach dem bevölkerten
stachen Lande ertönen lassen. Dieses e'm>
fache Instrument sagte unserm P., je
mehr er sich im Spiele vervollkommnete,
nicht mehr zu und auch er formte sich ein
handsameres, wirksameres, die sogenannte
Streich«Zither. Es ist dieß ein herz«
förmig gestalteter, mit drei Stahlsaiten
bezogener Schallkörper, der gleich den drei
obersten Violinsaiten gestimmt und mit
einem gewöhnlichen Violinbogen gestri«
chen wird, jedoch einen von diesem Instru«
mente ganz verschiedenen und mit keinem
anderen vergleichbaren Tone erzeugt. Da-
durch büßte die Zither ihren ursprünglich
einfachen Charakter nicht ein, wie dieß
der Fall, wenn man die Zahl ihrer Sai»
ten von 47 auf 30 und mehr erhöht.
Auf der obbeschriebenen Streichzither
vervollkommnete sich P. in so vollendeter
Weise, daß er sich im Jahre 1833 zu
einer Kunftreise entschloß — er war der
Erste, der sich als Virtuos auf der Zither
hören ließ — auf welcher er die meisten
norddeutschen Höfe und auch andere grö«
ßere Städte, wie Breslau, Berlin, Harn«
bürg, Bremen, Leipzig. Prag, Mainz und
Frankfurt besuchte und überall große
Anerkennung fand. AlleS staunte, mit
welcher Meisterschaft P. dieses fast unbe.
kannte Instrument behandelte. Er haucht
ihm eine lebendige Seele ein. die bald
tändelt und scherzt, liebt und schwärmt,
schmollt und zürnt, in raschen Uebergän-
gen zur Freude. Wehmuth, Rührung
stimmt. Die mechanische Gewandtheit
vergißt man über der Wärme der Phan«
tasie. Anfanglich hatte P. sein Spiel von
Natursängern. von Violine und Guitarre
begleiten lassen, spater trat er in voll»
kommener Orchesteibeglntuug auf. Als im Frühlinge 1837 P, zu Bamberg in
einem Concerte spielte, hörte ihn der
Herzog Maximi l ian in Bayern und
fand an dem Spiele und überhaupt an
dem Instrumente solches Gefallen, daß
er selbst es zu erlernen beschloß und
Petzmayer's Schüler wurde. Seitdem
gehört P. zum Gefolge des Herzogs,
den er auf seinen Besuchen an Für»
stenhöfen und auf seinen Reisen, oft
in ferne Länder, begleitet. Vortheil«
hafte Antrage, die ihm Strauß von
Paris uud London gemacht, lehnte er
ab, er blieb Kammervirtuose des Her.
zogs, welchen Titel derselbe ihm verliehen
hatte. I n dieser Eigenschaft begleitete er
auch den Fürsten auf seiner merkwürdi«
gen Reise nach Afrika und Asien. Andere
Kunstreisen unternahm er seither nicht,
nun folgt er alljährlich seinem Fürsten in
die beliebteren Bäder, wo die von ihm
veranstalteten Concerte zu den glänzend»
sten der Saison gerechnet werden. Zu
jener Zeit, als er mit seinem Instrumente
concertirte, gab es noch keineAuswahl von
Compositionen für dasselbe, und so war
er gezwungen, das Gehörte nachzuspielen
oder eigene Werke vorzutragen Unter
letzteren befinden sich Variationen über
verschiedeneThemata aus beliebten Opern,
Potpourris, Walzer, Divertissements über
ungarische Melodien und Steirerlieder
u. dgl. m. MehrereS davon, unter aride«
ren seine Compositionen auf der egypti.
fchen Reise find im Drucke erschienen. Noch
sei bemerkt, daß seine Beiname ,Heiligen«
Jean", mit dem er in der ersten Zeit sei»
neS öffentlichen Auftretens in Wien ge«
wohnlich bezeichnet zu werden pflegte,
und der sich von dem einstigen Besitz«
thume eines Gasthauses in Neulerchen-
feld ableitet, irrthümlich zu , Helling
Jean" und gar zu „Heiligenschein" ent«
stellt wurde. Auch hat P. auf seinem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Pergen-Podhradszky, Band 22
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Pergen-Podhradszky
- Band
- 22
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 534
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon