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entlockte dieselbe ihr viele Thränen un
machte sie sehr unglücklich. Es handelt«
stch ja dabei nicht nur um andere Kleider,
sondern auch um anderes Benehmen, um
andere Beschäftigungen, Gewohnheiten
und Bewegungen. „Wie linkisch und
unbeholfen war ich anfangs", sagt sie in
ihrem Tagebuche - „wie lächerlich mußt
ich in den langen Kleidern aussehen, ab
ich dabei noch immer lief und sprang und
mich m allem benahm wie ein wilder
Junge! Glücklicher Weise erhielten wir
damals einen jungen Mann, Namens
Trimmet, als Lehrer, der sich meiner
besonders annahm. Ich erfuhr später,
daß er die Mutter oft im Geheimen bat,
mit mir. als einem Kinde, dessen Gedan
ken von allem Anfang an eine schiefe
Richtung gegeben worden war, Nachsicht
zu haben. Er selbst behandelte mich mit
ungemeiner Güte, mit dem größten Zart>
gefühle, und bekämpfte mit Beharrlich
keit und Geduld meine verkehrten und
verworrenen Ideen. Er leitete meine
ganze Erziehung, und obgleich es mich
manche Thränen kostete, meinen jugend«
lichen Träumen zu entsagen und mich
mit Dingen zu befassen, die ich früher
mit der tiefsten Verachtung betrachtet
hatte, so that ich es doch — ihm zu
Liebe. Selbst alle weiblichen Arbeiten,
Nähen, Stricken, Kochen u. s. w. lernte
ich. Ihm verdanke ich es, daß ich nach
Verlauf von drei bis vier Jahren voll«
kommen zu den Pflichten meines Ge>
schlechtS gelangte, daß auS dem wilden
Jungen eine befcheideneIungfrauwurde".
I n jener Zeit, als I d a der Knabenrolle
entsagen mußte, keimte in ihr der erste
Wunsch, die Welt zu sehen. Vom Kriege
und vom Soldatenleben wandte sie den
Sinn ab, um ihn großen Reisen zuzu»
wenden; die Reiseliteratur beschäftigte
sie auf daS Lebhafteste und ersetzte bei ihr
v. Wr,rzdach. biogr. Lexikon. XXII. das Gefallen an Putz, Bällen, Thea«.
tern und allen anderen Vergnügungen,
die sonst einen Mädchenkops anzufüllen
pflegen. Wenn sie von Jemandem hörte,
der große Reisen gemacht hatte, so er-
faßte sie Wehmuth, daß ihr als Mädchen
für immer daS Glück v^'-hloff«m bleiben
mußte, das Weltmeer zu durchfurchn
und ferne Länder aufzusuchen. ^Oft l ^
ihr der Gedanke nahe, mit Naturwiffen.
schuften sich zu beschäftigen; sie un:?l>
drückte ihn aber immer wieder, weil sle
darin nur Rückkehr zu den „verkehrten
Ideen" witterte. Es wird gut sein. sich
vor Augen zu halten, daß im Anfange
unseres Jahrhunderts ein Bürgermad-
chen, auch aus wohlhabender, angesehe«
ner Familie, eine weit einfachere Grzie«
hung erhielt, als heutzutage. Das Herz
der Jungfrau war erwacht, ohne daß sie
etwas davon ahnte. Als sie sich dessen
bewußt wurde, begann die schmerzlichste
Zeit ihreS Lebens. Sie erzählt in ihrer
Selbstbiographie: „ In meinem siebzehn«
en Jahre hielt ein reicher Grieche um
meine Hand an. Die Mutter verwarf
feinen Antrag, weil der Bewerber nicht
katholisch war und ich ihr zum Heirathen
noch zu jung schien. Sie fand es unpaf-
send für ein Mädchen, unter zwanzig
Jahren sich zu verehelichen. Bei dieser
Gelegenheit ging in meinem Innern eine
roße Umwandlung vor. Bisher hatte
ch nichts geahnt von jener machtigen
Leidenschaft, die den Menschen zum glück«
lichsten, aber auch zum unglücklichsten
Wesen machen kann. Als mich die Mut«
ter von dem Antrage des Griechen unter»
chtete. als ich erfuhr, daß eS in meiner
Bestimmung läge, einen Mann zu lieben
und ihm für immer anzugehören, da ge-.
)annen die Gefühle, die ich bisher unbe«
mßt in mir getragen, eine feste Gestal»
.ng, und es wurde mir klar, ich könne
30 Mai 1370.) 12
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Pergen-Podhradszky, Band 22
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Pergen-Podhradszky
- Band
- 22
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 534
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon