Seite - 253 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Pergen-Podhradszky, Band 22
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Pichler 233 Pichler
zen zusammenlaufen. Ihre „Gleichnisse" haben
sie in die Zesewelt eingeführt, in „Ruth'
wollte sie als epische Dichterin glänzen; sie
schrieb „Gedichte", denen, wenn auch nichl
Wärme, so doch Feuer mangelt. . . . Daß
Frau von Pichler dem deutschen Volke
lieb und werth, ist dadurch bewiesen, daß
ihre Werke trotz mehrerer Nachdrücke zwei
Originalausgaben erlebt haben. — Diese sich
theils ergänzenden, theils in ihren Anschcmun
gen abweichenden Urtheile mögen mit einer
Silhouette geschlossen werden, welche im Stutt<
garter „Morgenblatte" von ihr entworfen wird
und in scharfen Contouren ein wahres Bild
von ihr gibt. Karoline Pichler hielt sich
damals (1820—i83(y in Baden bei Wien
auf, wo sie jeden Sommer zur Cur zu sein
pflegte. „Die wohlgenährte Gestalt der Fünf-
zigerin", schreibt unsere Quelle, „mit ihrem
blatternarbigen Gesichte und dem gutmüthi«
gen Ausdrucke der derben Züge trug ein ent<
schieden bürgerliches Gepräge. Sie war sorg«
fältig gekleidet, aber nicht etwa geputzt, son<
dern wie es für ihre Jahre paßte. Ihre Aus<
spräche klang rcht wienerisch. Beim Eintritt
des Besuches war sie weder mit Schreiben
noch mit Lesen beschäftigt, sondern mit Vor»
bereitungen zur Jause. Sie „rieb" Kaffee.
Die Mühle in der linken, reichte sie den Be»
suchenden die rechte Hand. und nachdem die
unerläßlichen ersten Förmlichkeiten überstaw
den, sagte sie: „Erlauben's, daß i fortfahr',
mi hungert's". Sie schüttete noch eine Hand»
voll Kaffeebohnen auf die Mühle, zündete den
Geist der Kaffeemaschine an und plauderte
dabei ganz gemüthlich, ohne sich zu bemühen,
den Geist anS sich herausleuchten zu lassen.
Vom Anzünden des Geistes im Gespräche,
wie es zu Verlin gang und gäbe war, schien
sie keine Freundin, und wenn ihr gesunder
Mutterwitz einmal Funken sprühte, so waren
sie nicht geschlagen. Zu den besonderen Kenn»
zeichen vieler weiblicher Schöngeister von
hruie gehört, wie man weiß, ein foccirtes
Geistreichthum, ein Picantseinwollen um jeden
Preis, selbst um den zarter Weiblichkeit"
Pichler, Kaspar (Bildhauer, geb.
zu Kufstein in Tirol im Jahre 1801.
gest, ebenda 19. Mai 1861). Er war
ein Sohn wenig bemittelter Bauersleute
und mußte Dienste als Holzknecht ver»
richten. Die Mußestunden versuchte er
mit Schnitzen verschiedener Gebilde aus- zufüllen, worin er, ohne irgend eine An.
leitung, sondern durch eigenes Talent,
eine solche Kunstfertigkeit erlangte, daß
er die Holzspalthacke bei Seite warf und
zu dem Conventualen des Stiftes Fiecht,
?. Eberhard Zobel, sich begab, um von
ihm durch kurze Zeit in den Anfangs-
gründen der Zeichenkunst unterrichtet zu
werden. Mit diesen Vorkenntniffen aug.
gerüstet, verfügte er
sich
nach Meran, wo
er ein halbes Jahr bei dem berühmten
Bildner Pendl M . XXI , S. 449)
Unterricht nahm, worauf er in seinen
Heimatsort zurückkehrte, sich nun felbst
durch fleißiges Studium, Beharrlichkeit
und rastlosen Fleiß zum Künstler heran»
bildete und von seinen Werken den 3e<
bensunterhalt verschaffte. Aus feiner ge«
schickten Hand sind viele plastische, meist
religiöse Gegenstände, insbesondere un-
übertreffliche Darstellungen des am Kreuze
hinscheidenden Heilandes hervorgegan-
gen, die aber um unverhaltnißmäßig
wohlfeile Preise selbst in's entfernte Aus«
land verkauft wurden. So blieb er, un>
geachtet er wahre Kunstwerke schuf, die,
wenn er einen Mäcen gefunden hätte,
der sich seiner angenommen und auf sein
Talent Kenner und Freunde aufmerksam
gemacht haben würde, ihm reichlichen
Lebensunterhalt, ja selbst ein Vermögen
hätten verschaffen muffen, immer in sehr
ärmlichen Verhältnissen. Sein Nekcolo«
gist bemerkt: „So wie Meran auf seinen
Pendl, Taufers auf seinen Joseph An-
ton Haid M . VI I , S. 20H. so ist
auch Kufstein auf seinen am Pfingstsonn«
tag 1861 Hingeschiedenen Pichler stolz".
Pichler's Crucifixe waren von nah und
ferne gesucht, und mancher Besteller war«
tete gern ein Jahr und darüber, um em
solches aus dieses Künstlers Hand zu
erhalten. Pichler verstand es. wie sel«
ten Einer, den Ausdruck der Liebe und
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Pergen-Podhradszky, Band 22
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Pergen-Podhradszky
- Band
- 22
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 534
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon