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bringen, das Amt eines Civil- und Cri«
minalrichterS bekleidete. Nach einiger Zeit
begab er sich nach Göttingen, wo er eine
Lehrkanzel aus den Rechtswissenschaften
übernahm, die er aber aufgeben mußte,
da das Klima seiner Gesundheit nicht zu>
sagte. Er kehrte nun in sein Vaterland
zurück und wurde dort Professor der
Rechte am Lyceum zu Trient. Schon
damals hatte er das schriftstellerische Ge
biet betreten und auf demselben durch
Vorschlage auf Abschaffung von Miß
brauchen und Einführung naturgemäßer
Reformen Bahnen eingeschlagen, die neu
waren und die Aufmerksamkeit der Fach
manner auf den jungen und scharfsinni
gen Denker richteten. Um sein Wissen zu
erweitern, gab er sein Lehramt auf und
machte eine längere Reise nach Frank»
reich, Holland. Deutschland, in die
Schweiz und Dänemark. In den ver»
schiedenen Haupt» und größeren Städten
hielt er sich längere Zeit auf, und da er
mit Leichtigkeit in fremden Sprachen ver>
kehrte, trat er mit den hervorragendsten
Mannern der Wissenschaft, die dem aus»
gezeichneten gebildeten Fremden mit dem
freundlichsten Wohlwollen entgegenka»
men, in unmittelbaren, oft engeren Ver»
kehr. Ueberall wurde ihm die ehrenvollste
Aufnahme zu Theil, der König von
Dänemark ernannte ihn zum Ehrenkam»
merherrn und versuchte es, ihn bleibend
an seinen Hof zu fesseln. Friedrich der
Große ließ eS ihm gegenüber auch nicht
an mannigfachen Beweisen seiner Huld
fehlen, und Joseph I I . , ihn mit seinem
ganzen Vertrauen beehrend. unterhalt
sich oft und gern mit ihm über die Re«
formen, die er in den verschiedenen Ver«
waltungszweigen in seinen Staaten ein«
zuführen gedachte. Nachdem P. mehrere
Jahre auf Reisen zugebracht, kehrte er in
sein Vaterland zurück und dort auf seiner Besitzung lebte er der süßen Muße wissen»
schaftlicher Forschungen, und vornehmlich
waren es die Staats« und Rechtswissen»
schaften, bei welchen cr nur zu oft wenig
Uebereinstimmung fand zwischen der lan»
desüblichen, ja der von den Lehrkanzeln
herunter voroemonstrirten apologisirten
Praxis und seinen geläuterten, durch
reifes Denken und Erwägen berichtigten
Anschauungen. Man erzahlt sich nach
dieser Seite hin manche pikante Falle, in
welchen er den veralteten Anschauungen
der Rechtsgelehrten die Leuchte der durch
die Weisheit geläuterten Wissenschaft
entgegenhielt und oft durch List die hart«
nackigen Vertheidiger des Abgelebten und
Veralteten in der Wissenschaft zu den
richtigen Anschauungen der neueren Den«
ker. theils zum Bewußtsein ihrer falschen
Ansichten brachte, theils völlig bekehrte.
Einer der interessantesten Zwischenfälle
dieser Art war es, wo er in einem Rechts-
falle eine von den ausgesprochenen An«
sichten seiner Collegen völlig abweichende
Ansicht verfocht, ohne aber seine Gegner
überzeugen zu können. Plötzlich fand sich
eine kleine Dissertation von dem berühm»
ten Rechtsgelehrten Homberg vor, in
welcher ein dem in Frage
stehenden
völ»
lig ähnlicher Fall ganz nach Pi lat i 's
Ansicht entschieden war. Jetzt sahen auch
die Collegen die Sache anders an und
stimmten Homberg's wissenschaftlichen
Gründen bei. Später löste sich das
Räthsel zum Aerger der Ueberlisteten
dahin auf, daß der Verfasser dieser Dis-
sertation nicht Homberg, sondern P i-
lat i sei und dieser nur zu einer List ge>
griffen habe, um dem gedankenlosen
Ueberlieferungsglauben in der Wissen-
schaft, die ja eben durch stetes Forschen
lebendig bleiben soll, den Todesstoß zu
versehen. Nachdem P. mehrere Jahre in
seiner Heimat unter wissenschaftlichen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Pergen-Podhradszky, Band 22
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Pergen-Podhradszky
- Band
- 22
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 534
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon