Seite - 149 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Podlaha-Prokesch, Band 23
Bild der Seite - 149 -
Text der Seite - 149 -
Potocki 149 Potocki
tagen begann, hat Graf Potocki ir
der Adreßdebatte am 19. November u. a
folgende, die Situation des Staates, wi<
des unter seiner Präsidentschaft stehenden
Tabineis kennzeichnenden Worte ge»
sprechen: „Die Aufgabe, die ich mir
gestellt, war die, die Renitenzen auf»
hören zu machen und den Kampf, der
aufgenommen werden soll und muß, !n
diesem Hause ausfechten zu lassen. Meine
ganze Thätigkeit war darauf gerichtet,
dies zu erreichen. Meine Aufgabe, sie ist
mir nicht gelungen, aber ihre Idee hat
so mächtige Folgen nach sich gezogen,
daß Viele, die den Boden der Ver-
fassung nicht weiter betreten wollten,
idie gesagt haben: „Wir und die Ver>
fassung haben nichts gemeinsam"! sich
endlich doch bewogen fanden, in dieses
Haus zu kommen. Ich constatire, daß
immer ein Factor zur Durchführung
dieser Idee gefehlt hat, dieser Factor
ist dieZeit, dazu tritt die Ungeduld
und das Mißtrauen. Dadurch wird in
Oesterreich alles unmöglich; von allen
Seiten wird gehetzt und nur wenige
haben Muth, Kraft und Patriotismus,
um allen diesen Schwierigkeiten zu
widerstehen. Die Behauptungen des
Herrn v i . Herbst waren doch aus»
schließlich vom Parteigeist beseelt. Dieser
Parteigeist aber, wenn er auf der
Ministerbank waltet, ist immer Verderb»
lich. Es ist nicht genug, zu sagen, daß
man vom Parteigeiste frei sei. man muß
es auch beweisen könnm und die Beweise
sind leider oft nicht hinreichend, um
Jedermann davon zu überzeugen. Man
hat mir hier und im anderen Hause vor»
geworfen, ich hätte nichts gethan. Nun
in sieben Monaten laßt sich auf diesem
Wege in Oesterreich nicht viel machen,
lassen sich die schroffsten Gegensätze nicht
abschwächen. Ich bitte um Zeit und Vertrauen, das find die zwei Factoren
mit denen man in Oesterreich rechnen
muß, um Friede und Versöhnung zu
erreichen". Das ist Wahrheit, die einem
Staatsmanne wohl steht, so bitter sie
zu hören ist. Die bisher denkwürdigste
That seiner Minister-Präsidentschaft ist
die nach der papstlicherseits erfolgten
officiellen Verkündigung des Unfehlbar»
keitödogmas officiell ausgesprochene Auf»
Hebung des im Jahre 4886 zwischen
Sr. Majestät dem Kaiser Franz
Joseph I. und dem Papste Pius IX.
abgeschlossenen Concordates, das als ein
das Vertrauen erdrückender, künstlich
hineingetriebener Keil über anderthalb
Iahrzehende zwischen Krone und Volk
steckte. Ende December 4870 verlautete
es: Graf Potocki habe Se. Majestät
um Enthebung von seinem Minister'
Präsidentschllftsposten gebeten und sei
ihm dieselbe mit dem Vorbehalte, die
Geschäfte bis zur Bildung eines neuen
Cabinetes fortzuführen, gewährt worden.
Einen Monat spater wieder hieß es je«
doch, Graf Potocki werde die Minister»
Präsidentschaft fortführen, und er selbst
mit der Neubildung des Cabinets be>
traut werden. Da brachte die „Wiener
Zeitung" vom 7. Februar 4871 des
Grafen und der übrigen Minister Ent<
hebungsdecrete, datirtOfen, vom 4. Fe»
bruar 4871, worauf mit Allerh. Hand»
'chreiben ääo. Ofen, 6. Februar d, I
das Ministerium Hohenwarth.Ha»
bietinek-I irecek zur Führung der
Staatsgeschäfte berufen wurde. — Graf
Alfred P. ist mit Mar ie Clemen»
ine gebornen Prinzessin Sanguözko-
Lubartovicz vermalt, aus welcher
Ehe mehrere Kinder vorhanden sind.
Hahn (SiZmund), Reichsrachs'Almcmach für
die Session 1867 (Prag, 8°.) S. «8. —
Neue freie Presse 1868, Nr. < 202, in der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Band 23
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Podlaha-Prokesch
- Band
- 23
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon