Seite - 38 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Prokop-Raschdorf, Band 24
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Mtroß 38 Pstroß
der Audienz bei dem Minister dieser in
seiner Ansprach an Pztroß die Bezeich»
nung „Lederfabrikant" anwendete, die»
selbe ablehnte und sich als einfacher
„Lohgärbermeister" vorstellte. Auch spä-
ter, und selbst als Pstro ß als Präsident
die Präger Handelskammer leitete, liebte
er eS, sich überall als „Handwerker" zu
geben und Verschmähtees nicht, in seinem
offenen Laden die Besucher in der Leder»
schürze zu empfangen und auch den ge»
ringsten seiner Kunden selbst zu bedienen.
Im Jahre 1882 in die Prager Handels»
kammer gewählt, bewies er sich gleich
von Anfang als Mann von tüchtiger
Geschäftskenntniß und machte sich beson-
de.rs durch eine scharfe Auffassung der
zur Behandlung kommenden Fragen be-
merkbar. I m Jahre 1886, als der da-
malige Kammerpräsident Riedel wegen
erschütterter Gesundheit sich von der Ge>
schäftöführung zurückziehen mußte und
der Vicepräsident die Direction der Cre-
ditai'stalt übernommen hatte, vertrat
Pstroß diese beiden Männer in der
Leitung der Kammer. Im November
desselben Jahres schon ward er an Stelle
Richter'S Vicepräsident und durch daS
allgemeine Vertrauen der Kammer im
Jahre -1388 deren Präsident, welche
Stelle er bis Februar 4859 bekleidete.
I n den letzten Jahren seines LebenS
wandte sich P. mit Vorliebe der Beschaf»
tigung mit politischen Fragen zu und
wußte sich auf diesem Gebiete die rück>
haltslose Achtung Aller zu erwerben.
Im Jahre 1861 eröffnete sich ihm durch
die Wahl zum Bürgermeister der Haupt»
stadt ein größeres Feld der Thätigkeit.
Seine Wirksamkeit im Landtage, wo er
bei vielen Gelegenheiten eine parteifreie,
selbstständige Stellung bekundete, war
von nicht geringerer Bedeutung. I n sei
nen Geschäften, welcher Art dieselben sein mochten, bewahrte er ebenso große Ge»
wifsenhaftigkeit als Tüchtigkeit. Seinen
Geschäftsfreunden war er ein stets bereit»
williger Helfer und wohlwollender be»
währter Rathgeber. Mehrere Jahre bc>
kleidete er die Stelle eineö Oberuorstchers
der Lohgerberzunft, und als Beweis des
Vertrauens, dessen er bei seinen Ge»
werbegenossen sich erfreute, spricht die
Thatsache: daß sie ihn trotz seines
noch jugendlichen Alters zu ihrem Vor»
stände erwählten. Seine Arbeiter ver»
ehrten in ihm ihren für ihr Wohl
besorgten Dienstherrn, der sie mit Rath
und That, wo er nur konnte, unter»
stützte. Während der kurzen Dauer seines
BürgermeisterthumS — nur zwei Jahre
— traf er Verfügungen, die ihm ein
bleibendes Andenken sichern. Vald nach
Antritt seineS Bürgermeisteramtes erließ
er die Verfügung, daß auf allen Schulen
der Stadt der Unterricht in der öechischen
Sprache eingeführt wurde. Obgleich
öeche durch und durch und entschiedener
Anhänger der nationalen Partei, war er
doch — und daö mögen sich die öechi»
schen Germanophoben von heute zum
Muster nehmen — zu einer Zeit, als die
Wogen der nationalen Bewegung sehr
hoch gingen, für die deutsche Volks»
schule in Prag eingetreten, und ist
ihm die Errichtung , zweier deutschen
Schulen in Prag zu verdanken. Neber
seinen Antrag entstand eine höhere Mäd»
chenschule; er förderte die Aufstellung des
neuen Thores gegen Ujezd, die Herstel»
lung desKarlSplatzes, die Ausschmückung
der h. Kreuzcapelle, die Errichtung der
Industrieschule und die Einführung der
allgemeinen Gasbeleuchtung. Trotz seiner
Verbindung mit dem Gewerbestande war
er nie zünftig und sprach sich für eine
freie Gewerbeverfassung, für einen Zoll.
anschluß an Deutschland stets ebenso ent»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Prokop-Raschdorf, Band 24
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Prokop-Raschdorf
- Band
- 24
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 450
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon