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PyrKer 122 Pyrker
ttlbaren Eingreifen in die Gefechte. Biswei
len wird sie drollig und erinnert an die Pa
rodie, wie ;. V., wenn der wilde Attilla
mit Dona durch das neuerfundene Fernrohr
guckt. Die Naivüüt kommt nur jenen festen
Gestalten zu, die m, Volksglauben ihren
Schweipunct finden; bei solchen haltlosen
Phaniasiebildern ist sie ein bedenkliches In»
gredienz, um so mehr, als es dem Dichter
nicht gelungen ist, diese Individualitäten mit
echt menschlichem und charakteristische»! Voll
«ehalte auszuprägen. Die Güttermaschinerie
in dem „Rudolph von Habsburg" ist noch
mangelhafter, indem hier der Marcomannen
könig Marbod, Inguomar, Kätwald und
andere Geister uno die der Hölle entstiegen«:
Sagenfiaur Drahomira den unter« und über<
irdischen Stacit der epischen Mächte darstel.
len, ohne die Ueberzeugung verscheuchen zu
können, daß sie vollkommen überflüssig sind,
Pyrter verwebte in die Haupthandlung,
die sich Mit historischer Treue fortbewegt,
Episoden von mehr romantischer Färbung,
die an Tasso's befreites Jerusalem auklin»
gen und für welche das antik gefaltete Ge>
wand des Hi'rameterö nicht recht passen will.
S° z, B. in „der Tunisias" die Episode von
Toledo, Mathilde und Dragut, Die Hera-
meter selbst gehören zu den besten und flie-
ßendsten, welche in beutscher Sprache nedich.
tet find, wenn auch kin und wieder ein un-
reiner Daktylus, der einem Molossus ähnlich
sieht, mit unterläuft. Die Diction selbst zeich-
net sich durch Reinheit und Präcision aus und
ist «leich fern von Nüchternheit und Ueber-
ladunZ. Die Bilder sind epische breitausge«
malte Vergleichungen im HomeAschen Style,
meistens dem Leben der Natur und der Ge»
staltenweli des Thierreichö entnommen. Doch
zeigt Pyrker einen bedenklichen Anstrich
uon Modernität, indem er in seinen Verglei»
chungen auch naturwissenschaftliche Entdeckun.
gen der neueren Zeit auS dem Gebiete der
Aeronautik und der Elektricität benützt, welche
für die Zeit, in der seine epischen Dichtungen
spielen, anachronistisch klingen. Seine „Perlen
der heiligen Vorzeit" (!823) sind eine biblische
Nildernalleiie in Heiametern mit einzelnen
trefflichen Schilderungen, im Ganzen aber«
doch nur Nachdichtungen ohne originellen!
Werth. So war dem frommen Prälaten trotz
seiner Begabung und metrischen Virtuosität
die Rettung der Epopöe mißlungen, da er
durch fein eigenes Beispiel zeigte, daß sich !
ihre strengen Regeln wohl durch formte Er- ! findungen beobachten lassen; daß sich aber
die Volkstümlichkeit nicht erzwingen läßt und
die Nation nur von solchen Epen begeistert
wud, welche sie gleichsam selbst geschaffen,
— Heinrich Kurz schreibt über Pyrker.!
„Sein Epos „Tunisias", in welchem er
den Zua Karl 's V. nach Tunis zur Ve>
freiung der Ehristensclauen darstellt, erregt
schon dadurch Interesse, daß der Dichter ge>
sucht hüt, neue sogenannte Maschinen zu er-
finden, Dic Ueberzeugung, daß die Epopöe
ohne Wunder, ohne Verknüpfung des Irdi»
schen mit dem Uebcrirdifchen nicht bestehen
könne, abcr zugleich auch daß die Götter-
welt Home r's für moderne Verhältnisse nicht
mehr brauchbar ist, daß die uon M i l t o n
und Klou stock eingeführten Engel und Teu-
fel ebenso wenig genügten, weil ihnen die
nöthige Bestimmtheit und Individualität fehle,
daß die nordischen Götter uns zu fremd und
daß endlich die kalten allegorischen Gebilde
ganz verwerflich seien, weil ihnen bestimmte
Gestalten fehlten; die Ueberzeugung regte
ihn an, nachzuforschen, ob sich nicht passende
Maschinen auffinden lassen könnten, die einer-
seitZ uns näher ständen und die anderseits
eines bestimmten Charakters, rinrr auögesvru'
chenen Indiuidualität nicht ermangelten. Da
kam er auf den Gedanken, dil.» Seelen der
Verstorbenen, mit dein'» er sich den oberen
Luftraum bevölkert dachte, als Maschinen zu
nebrauchen, ihnen Theilnahme nn dem Ge>
schicke der Menschen beizulegen und sie mit«
handelnd einzuführen, insoweit sie nlö dos Lei-
bes beraubte, sich durch ein„ol)c>uchtcn Rath
unter den Lebenden thätig erweisen könnten.
Dann crgab sich auch von selbst, daß sie, wie
dic Götter bei Homer, jedcr nach ihrem
Charakter und ihren früheren Verhältnisse»
Partei ergriffen und sich sogar unter einander
unterstützten oder bekämpften. So werde» in
der „Tunisias" Nudo lph uo» Habsdurg,
Mohamed, Alexander der Große, Cä»
sar, Hannida l , Sa lad in , A t t i la ,
Regulu« eingeführt. Wenn abcr kein Zwei-
fel obwaltet, daß dicse Gestalten den Engeln
und Teufeln Kloustuck'6, den allegorischen
Gebilden u. s. w. weit vorzuziehen sind, so
scheint uns doch, daß der Dichter mit dieser
Neuerung das Nichtine noch nicht getroffen
habe, und daß es einem späteren Genius
aufbehalten bleibt, das Ei des Columbus
zu finden. Denn so bestimmt der Charakter
und die Indiuidualität dieser Verstorbenen
ist, so klingt doch die Theilnahme derselben
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Prokop-Raschdorf, Band 24
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Prokop-Raschdorf
- Band
- 24
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 450
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon