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Neichstadt 184 Neichftadt
liche Erzieher deS Prinzen der Dichter
Matthäus von Col l in ^Bd. I I ,S.4t^
und der Hauptmann Foresti beigege»
ben. Col l in unterrichtete ihn in den
alten Sprachen und leitete jeine classi-
schen Studien, welche jedoch den Prinzen
weniger anzogen, als die Gegenstände
der Kriegskunst, für die er eine besondere
Vorliebe besaß und in denen er große
Fortschritte machte. Dabei wurde ihm
die Geschichte des meteorartigen Auf.
steigens und der tragischen Schlußkata-
strophe seines ValerS nicht verschwiegen
u»d ihm am 22. Juli 182l in Schön-
brunn die Nachricht von dessen Tode
mitgetheilt. Der Herzog von Reichstadt
zahlte damals elwas über zehn Jahre.
Als er die Todesnachricht vernahm,
brach er in heftiges Weinen aus und die
folgenden Tage war er in tiefer Nieder»
geschlagenheit. Er sowohl wie seine Um»
gebung, seine Erzieher inbegriffen, trugen
Trauer. Nach Coll in's im Jahre 1824
erfolgten Tode trat der n. ö. Regie»
tungsrath Obenaus an dessen Stelle.
ObenauS war der Erzieher des Erz»
Herzogs Franz Kar l gewesen. sSein
Sohn, der kais. Hauptmann Ferdinand
ObenauS»Felsöhä,z, überbrachte im
Jahre 1868 dem Kaiser Louis Napo»
leon 120 Reliquien aus des Herzogs
vonRei ch stad t Nachlaßzum Geschenkes
ObenauS hatte den Auftrag, den
Prinzen insbesondere mit jenen Ereignis»
sen, welche zur Geschichte seines Vaters
in nächster Beziehung standen, bekannt
zu machen. Für die militärischen Gegen»
stände waren der schon genannte Haupt»
mann Gore st! und für den Unterricht
in der permanenten und Feldbefestigung
der Major Weiß bestellt. Den Reli»
gionsunterricht leitete der damalige Hof»
Prälat Wagner. Der Prinz machte
vortreffliche Fortschritte: eines Tages überraschte er seinen Großvater mit einer
topographischen Karte der Gegend von
Neudorf, Gumpoldskirchen und Wien,
welche er selbst vermessen, mit großer
Genauigkeit aufgenommen und gezeichnet
hatte. Mit gutern Erfolge betrieb er
auch die deutsche Literatur, und die
Wecke von Goethe und Schi l ler
fesselten ihn so, daß er viele der schönsten
Stellen, namentlich aus den Trauerspie»
len derselben, Wort für Wort auswendig
wußte. Fleißig las er geschichtliche Werke
und unter diesen jene von M . I . Schmidt
und Johannes v. Mül le r . Mit großem
Fleiße betrieb er das Studium der italie»
schen Sprache und machte häufig Ueber»
setzungen auS der deutschen und französi-
schen in die italienische. Dabei aber blieb
seine Vorliebe für alles Militärische vor-
herrschend. Ein Zug aus dieser Zeit mag
zeigen, wie sehr der soldatische Geist in
ihm ausgeprägt war. EineS TageS be»
befand er sich mit seinem Großvater zu
Schlößhof, einer kaiserlichen Familien»
Herrschaft. Es waren mehrere Personen
zu Tische geladen. Als er seinen gewöhn»
liehen Platz an der Seite des Erzherzogs
Franz Kar l einnehmen sollte, weigerte
er sich dessen und rückte weiter herunter.
Befragt, warum er dieß thue, erwiederte
er: „TS sind ja Generale zu Gaste und
diese haben den Vorsitz". Im Alter von
sieben Jahren trug er das Kleid eines
gemeinen Soldaten. Als er im Ererciren
und den anderen militärischen Uebungen
große Fortschritte machte, wurde er zum
Unterofficier befördert und hatte, als er
die mit dieser Charge verbundenen Ab»
zeichen erhielt, unaussprechliche Freude.
Im Jahre 1828. damals 18 Jahre alt.
wurde er Hauptmann im Iäger-Regi»
mente Kaiser und wohnte als solcher den
Uebungen im Lager zu Traiskirchen bei.
Im Sommer des nächsten Jahres corn»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rasner-Rhederer, Band 25
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rasner-Rhederer
- Band
- 25
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1868
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon