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Nichte^ Franz 14
ferner m die Lage setzen wird, die vielen
Hunderttaufend Fabriksarbeiter und C'
ber in Böhmen zu beschäftigen und zu
ernähren. Diese Armen, welche unbewußt
der Gefahren, die ihnen drohten, in
ihren Strohhütten beim Weberftuhl
saßen, sie werden, zur Erkenntniß gelangt,
wer ihr Beschützer war, unter Thränen
den Segen Gottes über den Smichove'
Spinner erstehen." Daß sich auf einen
Mann von solcher Bedeutung, der sich
über die volkswirthschaftlichen Zustande
anderer Länder durch Reisen unterrichtet
hatte und in Fragen der Gewerbe, deS
Handels und der Industrie in Oesterreich
als eine Autorität galt, auch außerhalb
Böhmens die Blicke Aller richteten, denen
die Hebung unserer Zustände nach dieser
Seite am Herzen lag. ist selbstverständ>
lich. Im Frühjahre 1856 erhielt R.
einen Ruf als Director der Wiener Cre>
ditanstalt. eines im Aufblühen begriffe-
nen Institutes. daS einer energischen lei-
tenden Hand bedürfte, welchem er folgte.
I n Anerkennung seiner Wirksamkeit da«
selbst, wie als Großindustrieller wurde
R. mit dem Orden der eisernen Krone
3. Classe ausgezeichnet. Diesem Posten
stand R. bis zum März 1861 vor, in
welchem seine Verhaftung erfolgte. Nach
einer fast achtmonatlichen UntersuchungS«
haft kam R. vor den Gerichtshof, der
die Anklage wegen Verleitung zum Miß-
brauche der Amtsgewalt anläßlich der
zur Zeit deS italienischen Krieges im
Jahre 1839 übernommenen ärarischen
Lieferungen gegen ihn erhob. I n die
Anklage waren Feldmarschall-Lieutenant
von Eynatten und mittelbar auch
Freiherr von Brück, zu jener Zeit k. k.
Finanzminister, verwickelt. Der Proceß
endete mit Richter'S Verurtheilung.
Richter trat seine Strafe nicht an.
denn der Tod erlöste ihn vor aller wei» Franz 14
teren Schmach. Als die Wiener Blätter
seinen Tod meldeten, widmeten sie ihm
warme Nachrufe. EineS derselben bemerkte.
daS Chaos der damaligen Zustande be«
leuchtend, auf Richter passe trefflich der
Schiller'sche Vers auS Tell: „Es tobt
der See, er will sein Opfer haben".
Die Oftdeutsche Post aber sagte: „Neun
Monate lang hatte der Mann Körper
und Geist aufrecht erhalten. Seine Wil«
lenSkraft hat seine physische Natur be»
wältigt und sie gezwungen, ihr zu dienen.
Als aber der große Kampf, den er vor
dem öffentlichen Gerichte durch fünf
Wochen zu durchfechten hatte, zu Ende
war, da verlangte die Natur ihre Rechte
und er brach unter ihrer Hand zusam»
men. Er ist nun das zweite Todesopfer,
welches Eynatten's Selbstmord nach
sich zog. Der Stolz und das Selbst,
gefühl des Freiherrn von Brück ver«
anlaßten diesen, sich den Tod zu geben,
ehe er die Untersuchungshaft an sich
herankommen ließ. Die Geduld und die
Selbstbeherrschung Franz Richter's lie-
ßen ihn den Proceß überdauern, aber
nachdem er zu Ende war, folgte er sei»
nem Freunde, legte sich hin und starb
ichter bekam wenige Tage nach ge«
schlossener Verhandlung das Nerven»
sieber, dem er in der Vollkraft seines
Lebens erlag). Wie der Proceß Richter
in vielfacher Beziehung in den Annalen
der österreichischen Gerichte Epoche bilden
wird, so wird man auch dem tragischen
Ausgange desselben in seinen physischen
Ursachen nachforschen, und das Grab,
welches dieses Opfer unserer Proceßord«
nung umschließt, wird die Wiege von
Reformen werden, welche allein den ver«
öhnenden Abschluß dieser an tragischen
Incidentien so überreichen Geschichte deS
Processes Eynatten bilden können."
Richter's Vertheidiger in dem Processe
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Band 26
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rhedey-Rosenauer
- Band
- 26
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 436
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon