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Nokitansky 29ft Nokitansky
Menge neu entdeckter Thatsachen, als viel
mehr darin, daß es seinen zahllosen ge
nauen und scharfsinnigen Beobachtungen
gelang, mit Hilfe des Befundes im todten
Körper den Vorgang und die Aufein
anderfolge der krankhaften Störungen
im lebenden Körper zu erklären. Die
Vergleictmng verschiedener EntwickelungS«
stufen desselben Processes, die er bei
seinen zahllosen Leichenöffnungen — im
März 1866 beging R. die dreiß igtau
sendfte, durck ihn vorgenommene Leichen
section festlich im Kreise mehrerer Freunde
— aufgefunden hatte, setzte ihn in den
Stand, die Nothwendigkeit deS Ganges
in den Veränderungen, sowie die Mög»
lichkeit einer natürlichen Beseitigung und
Ausgleichung des krankhaften Processes
zu erörtern. Wenn nun ein solcher Vor-
gang, eine solche Betrachtungsweise sich
Geltung verschafft, so gelangt der den»
kende Arzt dadurch zur genauen Kennt»
niß von dem unabweisbaren Verlaufe
der Krankheit; er kann nun beurtheilen,
ob er denselben zu hemmen, abzuändern
oder doch zu mäßigen hoffen darf, er
erfährt aber auch, wo und wann von
selbst und ohne sein Zuthun Rückkehr zur
Genesung zu erwarten ist. Alle diese
Ergebnisse von vielen Tausend sorgfälti«
gen Untersuchen am menschlichen Leich»
uam legte R. in seinem Werke über
pathologische Anatomie nieder ^die Titel
seiner Schriften folgen auf S. 292),
welches in der wissenschaftlichen Welt
Epoche machte und in alle civilisirten
Sprachen übertragen wurde. Dieses Werk
hat um so größere Bedeutung, als dem
Meister bis dahin nur wenig — Giovan-
batt. Morg agni's „^.äversarig. 2,112.-
(1743 u. f.); — „OS 02.U8IL 6t
l morbarura per anatoiuoii inäi-
im Jahre 1761 erschienen, sind
die Hauptwerke in dieser Richtung — vorgearbeitet worden, so daß er meist
nur sein eigenes, sorgfältig zusammen-
getragenes Material bearbeiten mußte.
Selbst in der Methode der Darstellung
des Gegenstandes sah er sick auf sich
selbst angewiesen, da ihm seine Vorgän«
ger kaum brauchbares Material dar-
boten, er mußte sich sozusagen eine neue
Terminologie und einen eigenthümlichen
Styl für das zu Beschreibende schaffen.
Wie glücklich er darin gewesen, immer
das reckte Wort zu finden, wie er ebenso
originell als zweckmäßig den anatomi.
schen Befund wiederzugeben verstanden
hat, wurde von der Fachkritik allgemein
anerkannt. Dabei war er für fremde
Ansichten, wenn sie den seinigen wider»
stritten, nicht unzugänglich. Er der Erste,
der. wo es sich um Feststellung positiver
Thatsachen in der Wissenschaft handelte,
das absolute in vorda. maZIZtri Mra.ro
über den Haufen geworfen, geberdete
sich selbst für nichts weniger als unfehl-
bar, und als die von ihm aufgestellte
und wissenschaftlich durchgeführte Ansicht
über die verschiedenartigen Blutmischun-
gen in Krankheiten, die sogenannte Kra-
en lehre, widerlegt wurde, gab er.
nachdem er von der Unhaltbarkeit seiner
Ansicht, die jedoch von seinen Schülern
eben als Ausspruch deS Meisters lange
noch festgehalten und nachgebetet wurde.,
sich überzeugt, sie selbst auf und arbeitete
die späteren Ausgaben seines Werkes in
ieser Richtung vollends um. Dabei «hat
er durch Darstellung deS Verlaufes der
Krankheiten, wobei er sich nicht durch
Unwesentliches irre machen läßt. nament»
ich das praktische Bedürfniß des Arztes
'est im Auge behalten, und nicht etwa
ie ausschließliche Herrschaft der patho»
ogischen Anatomie, da dieß endlich nur
u^ einer groben Emperie führen würde,
proclamiit, sondern nur ihren Einfluß
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Band 26
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rhedey-Rosenauer
- Band
- 26
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 436
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon