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Geburt, so doch durch ihre Erziehung
und künstlerische Entwickelung und Her»
anbildung in Prag und dann in Wien
gehört sie dem Kaiserstaate an und in
dieses Lexikon. Sie war zwar in dieser
Zeit bei keiner Bühne angestellt, allein
sie trat öfter in der deutschen und italie-
nischen Oper auf und hatte an der
Fodor -Ma inv i l le und der Unger,
welche sie fast täglich zu hören Gelegen-
heit hatte, vortreffliche Vorbilder. Auch
Beethoven zeichnete sie aus und sie
sprach bei ihrem Aufenthalte in Bonn
im Jahre 1831 mit der liebenswürdigsten
Pietät von jenen Tagen, wo sie, gewöhn-
lich mit der Unger zusammen, öfters bei
ihm war und er sie nur „mein liebes
Iettchen" nannte, was denn auch die
stehende Anrede in dessen Briefen und
Briefchen an sie blieb. Auch studirte ihr
Beethoven damals die Partie in der
neunten Symphonie ein. Im Jahre 1824
trat Henr iet te von Wien aus ihre
erste Kunstreife an. Sie ging nach Leip«
zig. wo sie mit der Euryanthe solchen
Erfolg feierte, daß sie sofort bei dem
Königstädter Theater in Berlin angestellt
wurde. Dort kam sie zu dem vollen Be-
wußtsein ihres künstlerischen Berufes,
dort fand sie in den gebildetsten Kreisen
der Berliner Gesellschaft die freundlichste
Aufnahme, bei Hof ehrenvolle Gunst
und König Friedrich Wi lhelm I I I .
ernannte sie zur Kammersängerin. Im
Jahre 1826 gab sie auf ihrer Reise nach
Paris an den bedeutendsten Bühnen
Deutschlands Gastrollen und überall mit
glänzendstem Erfolge. Als sie dann in
Paris in der Rolle der Rosine in Ros.
sini's „Barbier" zum ersten Male auf.
getreten war, sprach ganz Paris davon
wie von einem Ereignisse in der musikali»
schen Welt. Die 23 Gastrollen, welche
sie gab, waren ebenso viele Triumphe. Aber nicht blos als Künstlerin, auch
durch ihren Anstand und ihre keusche
Sitte bezauberte sie alle Kreise, und eine
der stolzesten und sittenstrengsten Damen
des Hofes, die Herzogin von Lorraine,
that den Ausspruch: „«le nb vouäi-iäs
P2,3 pour tout au inonäo HNS nall, üils
M autrement". Von Paris kehrte sie
nach Berlin zurück und begab sich im
September 1827 wieder nach Paris, um
dort ihr Engagement anzutreten, da sie
bei ihrer Abreise von dort im Jahre
1826 mit der Direction der italienischen
Oper einen Vertrag auf drei Jahre ab»
geschlossen hatte. In die Zeit ihreS Ber-
liner Aufenthaltes fallt eine Episode,
welche ein eigenthümliches Streiflicht auf
die damaligen Literatenverhältnisse in
Spree-Athen wirft. Saphir trieb da»
mals dort sein Unwesen. Ihm, diesem
Menschaffen, waren die Zucbt, Anmuth
und Sitte Henriette's, die ihrer Er»
sckeinung nach Etwas von einem Engel
au sich halte, von vornherein unsympa-
thisch. In ein Berliner Journal ließ er
ein unüberschwmglich lobpreisendes Ge>
dicht auf Henriette einrücken. Als die
Sängerin es gelesen, dankte sie S. in
feinster Weise. Nachdem sie dieß gethan,
vertraute S. mehreren Freunden, daß
sein Gedicht an Henriette ein Akrosit»
chon sei, und thatsächlich stellte es sich
als solches heraus, und die Anfangsbuch»
staben des Gedichtes gaben die Worte:
„Ungeheure I ronie". Die Sacke
blieb nicht verschwiegen, sondern der lite-
rische Mob Berlins brachte diesen Sa«
vhir'schen Witz (!) bald in Umlauf.
Es kam zu einem Injurienprocesse und
Saph i r wurde — dieser Büberei wegen
— zu sechswochentlicher Gefängnisstrafe
verurtheilt, die er aber erst in München,
wohin er sich mittlerweile begeben hatte,
auf Requisition des Berliner Stadt-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Band
- 27
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 386
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon