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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
Seite - 76 -
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Seite - 76 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27

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Nojsi-Sontag Nossi-Sontag das holdeste, liebenswürdigste und einfachste deutsche Mädchen; von mittlerer Größe, dem zierlichsten Wüchse, mit dem lachendsten, runden Gesichtchen, blauen, sanften, leb- haften Äugen, blondem Haar und dem ge- winnendsten Wesen, stets heiter, voll Zaune und Muthwille, aber von den Grazien umweht in jeder Bewegung, dabei mit dem besten Herzen begabt, stets zu helfen bereit, immer wohlthätig, freundlich, zuvorkommend und liebreich. Alle Directoren gaben ihr das Zeugniß, daß sie nie eine gutwilligere, unver» drossenere Sängerin hatten. Mit dieser bezau» bernden Persönlichkeit einte sich eine glocken» helle, klare, liedliche, weiche und umfang- reiche Siimme und die genügendste musika- lische Bildung; ihr Vortrag war zugleich im höchsten Grade präcis, kunstgerecht und nett, wie herzlich, se^lenvoll und ergreifend; die höchste Gewandtheit und Kehlenfertigkeit für verzierten Gesang, wie ein seltener Grad von Ausdauer war ihr eigen. Eine große Dar« stellerin war sie nie und für den Ausspruch tieferschütternder Leidenschaften fehlten ihr die Mittel; dagegen war sie in Partien, die ihrer Persönlichkeit zusagten, in launigen, schalb haften und gemüthlichen Rollen unerreichbar und unvergleichlich. Die zarteste, duftendste, süßeste Blume der deutschen Gesangskunst schwand mit ihr von der Bühne. — Der durch seine gründlichen und geistvollen Musik» referate rühmlichst bekannte Musikreferent am Rdein.L. Bischof, schreibt über Henri ette N- S.: „Das gegenwärtige Geschlecht, wel' ches die Leistungen der Künstlerin nur aus der zweiten Periode ihres Künstlerlebens (als Gräsin Nossi.S ontag) rVnnt, wird gar leicht versucht, sie sich auch in ihrer Blüchezeit nur als reizende Soubrette denken zu kön- nen. Wer aber die Euryanthe, Agathe, DeSdemona, Sem i ram is von der S ontag gesehen hat, der wird mit uns empfunden haben, daß ein gewisses anmuths' volles, maßhaltendes, Grazie und Schönheit nie verletzendes Wesen, welches in ihrer Er- scheinung in jeglicher Rolle unzertrennlich war, auch den musikalischen Charakterbildern ernsterer Gattung in tragischen und leiden» schaftlichcn Momenten stets das Gepräge der Weiblichkeit erhielt, welches gar manche hoch» gepriesene Darstcllerinen heute sehr häufig vermissen lassen. Eben dadurch btkam Ton und Vortrag sowohl in getragenen als figu- rirten Gesangstellen in solchen Situationen, unterstützt von vollkommenster Reinheit und Correctheit — zwei Dingen, mit welchen es manche von den gefeierten», sogenannten dra» malischen Sängerinen nicht immer sehr genau nehmen — eine eigenthümliche, ergreifende und doch wohlthuende Färbung. Das Maß« halten war ihre größte Tugend: zu Knall- effectcn gab sie sich nie her; auch geben wir gern zu. daß ihre Stimme dazu nicht aus» reichte und daß sie den Werth dieses kostbaren Materiales viel zu gut kannte und viel zu hoch schätzte, um es dem großen Haufen zu Ziebe zu vergeuden." — Wesentlich vcrschie» den, obwohl damals noch nicht durch die Erscheinung der Jenny L ind, wie daS später der Fall war. beeinflußt, ist das Ur- theil eineS britischen Kunstrichters, des Dr. Granv i l le , das in dessen im Jahre i828 erschienenen Werke: „8t. I'etoi-ädoui'Fd, at tlie eiass ot 1827" (Petersburg am Schlüsse des Jahres 1827) abgedruckt steht. Dr. Gra n< vi l le schreibt unter Anderem: „Aller Augen und Augengläser richteten sich nach der Bühne^ mit Ungeduld die Erscheinung dieses SternS erwartend. Sie war dieser Stern, dieser Komet mit seiner zauberischen Anziehungs« kraft, Hpnriette Sontag, die königliche Kammersängerin, die schon vor uns so vielen Reisenden, wie Poeten und Prosaisten, Son- nettisten und Journalisten die Kopfe verdreht hatte. Ihre Schönheit bezauberte mich. Ihr Gesang aber gefiel mir wohl, doch erfüllte er nicht me:ne Erwartungen. Ich weiß ihr Wesen nicht besser als durch den Ausdruck: „xetits HliLuouus" zu bezeichnen. Ihre Ge< stalt gleicht der einer Nymphe von C a n o oa und alle ihre Bewegungen sind so reich an himmlischer Anmuth und Grazie, daß sie mehr ein schönes Ideal als cin wirklich kör» perliches Wesen zu sein scheint. Ihre Füße, Hände, die Lieblichkeit ihres Gcsichtes, ihr unaussprechlich reizender Mund, ihre Perlen gleiche Zähne, ihres holdes Lächeln, die Fülle ihres dunkelblonden Haares sind von einer Schönheit, wie sie die höchste Phantasie sich nicht herrlicher denken kann. Ihre Stimme ist ungemem anmuthig und sie sin^t mit einer ganz außerordentlichen Leichtigkeit, aber mit allen diesen Vorzügen ist sie doch keine eigentlich große Sängerin. I u ihren Ver» zierungen besonders zeigt sie, daß eS ihr an der wahren Methode und Schule fehlt. Den Ausdruck des Erhabenen hat ihr die Natur in ihrer Stimme wie in ihrer Persönlichkeit versagt. Des grandiosen Styls wird Fräulein Son tag sich niemals bemächtigen können.
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Rosenberg-Rzikkowsky
Band
27
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1874
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
386
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
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