Seite - 121 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
Bild der Seite - 121 -
Text der Seite - 121 -
Nothjchild 121 Nothschild
strenge Beobachtung zweier Grundsähe zu ^
diesem seltenen Erfolge wesentlich beigetragen i
haben. Der erste ist, daß sie in Gemäßheit ^
einer von dem Gründer des Hauses auf dem
Sterbebette getroffenen Anordnung alle ihre
Operationen gemeinschaftlich ausführen. So<
bald eine größere Proposition Einem von ihnen
gemacht wird. so legt er sie einer gemeinsamen !
Berathung vor. Kein Project wird angenom«
men, ehe es nicht vollständig besprochen ist.
Gnmal acceptirt, wird es sodann mit ver-
einten Kräften ausgeführt. Ein zweiter Grund»
satz ist, nicht nach übermäßigem Gewinn zu
streben, bei jeder Operation sich selbst be>
stimmte Grenzen zu stecken und, soweit als
menschliche Vorficht und Klugheit das mög»
lich machen kann, das Unternehmen unab»
, bangig von zufälligen Ereignissen herzustellen.
In diesen beiden Grundsätzen liegt das Haupt-
geheimniß der Macht und des Einflusses, den
das Haus Rothschild auf die europäischen
Regierungen und somit auf die Geschicke
Europa's ausübt. Als drittes Moment — wo»
durch namentlich der ganze Neichthum in der
Familie verbleibt — find die Heirathen inner»
dalb der Familie sS. l42) zu berücksichtigen, ein
Vorgang, der kaum bei einer anderen Familie
von irgend einer Bedeutung in so syftemati«
scher Weise durchgeführt werden dürfte, wie
eben bei den Rothschild. Freilich findet
hier die Erhaltung des Mammon auf Kosten
der Erstarkung der physischen Constitution
der einzelnen Familien Statt, da sich die
beiden und physischen Gebrechen förmlich in
potenzirter Weise in den Familien häufen
und dadurch dem unermeßlichen Reichthume
physische Gebrechlichkeit im höchsten Grade zu-
gesellen. Ein Blick auf die Stammtafel dürfte
aber hinreichen, zu überzeugen, wie mit nur
wenigen Ausnahmen die Söhne und Töchter
einer Familie sich fast ausschließlich mit den
Töchtern und Söhnen der Anderen verheirathen.
— Im Sommer l8?0 war es ein halbes Jahr.
kundert. daß das Haus Rothschild sich in
Oesterreich etablier hat. wo seine großartigen
industriellen Unternehmungen und verschiede«
nen Finanzoperationen den Namen desselben
zu einem sehr volksthümlichen und geachteten
gemacht haben. Mit ihm zugleich traf vor
einem halben Jahrhunderte Moriz Ritter von
Goldschmied ein. der als Geschäftsleiter
und Vertrauensmann dieses Welthaus reprä«
sentirt. Die nahen Beziehungen des Hauses
Rothschild zu Oesterreich erhellen zunächst
aus den zahlreichen Ordensverleihungen, welche einzelne Mitglieder der Familie von
Oesterreich erhalten haben, So ist der gegen
wältige Chef der Familie und (5hef des Wie
ner HauseS. Freiherr Anselm, mit dem
Großkreuze des Franz Ioseuh-Ordens und
dem Orden der eisernen Kron< 1. Classe
decorirt; James Ma i er Freiherr von R-,
der ehemalige Chef des Pariser Hauses, erhielt
den Orden der eisernen Krone 4. Classe und
seine beiden Söhne Alphons und Gustav
das Comthurkreuz des Franz Joseph Ordens;
Anthony R, war Ritter des Ordens der
eisernen Krone 2. Classe; Ma i er Ka r l ,
Chef des Frankfurter Hauses, ist Ritter deS
Ordens der eisernen Hrone 2. Classe und sein
Bruder Wi lh elm Kar l Commandeur des
Franz Ioseph'Ordens. Was die einzelnen
Familienglieder betrifft, so vergleiche über die
zu Oesterreich in näherer Beziehung siedenden
die Biographien von Anselm und Salo-
mon ^T. i l4 u 146^. über die anderen die
kürzeren Lebensskizzen S, t 23—189 sNr. <
bis 17^. Noch sei bemerkt, daß bei den Lebens»
skizzen der einzelnen Mitglieder der Fcnnilie
sich in ihre Finanzoperationen uno Oeldge»
schafie nicht eingelassen werden konnte. Diesel'
ben gehören in eine Finanzgrschichte und mit
ihrem arwiß höchst wicvti^m Detail in eine
Volksronthschaftslehre. Hier im biographischen
Lexikon können nur die eigentlichen Lebens»
momente jedes Einzelnen und auch diese
nur aphoristisch gewürdigt werden.
(Quellen über die Familie Notyschild über-
Haupt. Das Haus Rothschild. Seine
Geschichte und seine Geschäfte. Aufschlüsse
und Enthüllungen zur Geschichte des Zahr»
Hunderts, insbesondere des Staatssinanz- und
Borsenwesens. Zum erstenmale dargestellt.
Zwei Theile (Prag und Leipzig t«57. I L,
Kober. gr 8»., U20 u. 221 S.), sTttses prä»
tentiöse Werk führt als Motto Jean Paul 's
Satz: „Nec nicht die Zeit erfaßt. wird von
ihr erfaßt". Die Autorschaft des Buches, das
wenig Neues, und dieses Wenige ist nicht
neu, enthält und was es dringt, ohne Angabe
der Quellen auS den Werken von Börne,
Heine, Wei l , Gans, Schlosser, Lö-
ser u. 3l. hervorholt, wird einem gewissen
F. Steinmann zugeschrieben. Nun in der
That eine Geschichte des Hauses Nothschild,
so jung dasselbe seiner eigentlichen Bedeu-
tenheit nach ist. möchte interessanter und wol?l
auch lehrreicher uno mitunter pikanter, als
manche andere Geschichte seiu; aber wer
könnte dieselbe überhaupt schreiben? Wenn
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Band
- 27
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 386
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon