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Nothschild, Karl Maier
und der interessanten Rolle, welche das Haus
Rothschild dabei spielte. So lanae Kar l
von Rothschild in Neapel haushielt —
denn nach der letzten Revolution gab er
seinen Aufenthalt daselbst auf und übersiedelte
mit seiner gangen Familie nach Frankfurt
a. M — war sein Salon der erste Neapels.
Seine Frau Adelheid geb. von Herz (geb.
14. Jänner 4800. gest. im April 1853). eine
Tante des bekannten Dichters Paul Heyse.
war die Seele desselben. Wenn eine Dame
brrufen wäre. schreibt ein Korrespondent aus
Neapel im Jänner lä^O, Memoiren auö der
Gegenwart zu schreibm. so wäre es wohl
die Baronin Adelheid, die seir emem
Pierteljahrbu'.'.derte einen großen Theil der
bedeutendsten Männer Europa's in ihrem
Hause beobachten tonnte. Sie kennt Alle,
welche die Geschichte gemacht haben. Ich
glaube zwar nickt, daß dabei ihre Achtung
vor der Menschheit zugenommen haben mag.
Die geistreiche Frau hat nicht selten spöttisch
lächrln müssen, wenn die höchstgestellten
Menschen, welche tausendmal mehr zu sein
glaubten, sich vor ihr bückten und ihrer
Person die angenehmsten Sachen sagten,
um nicht offen und blank der bloßen Macht
des Geldes zu huldigen, vor der allein
sie sich beugen. Wär' es zu verwundern,
wenn eine Dame des Hausrs Rot.hschild
in solcher Stellung eine Weltv^rachtung
fühlte, vor der nur ein religiöser Sinn be>
wahren könnte? Frau'Ad e lh eid war auch
durch ihren, man kann mit Neckt sagen,
großartigen WohlthäiigkeitSsinn bekannt, den
sie nicht etwa aus Ostentation, sondern aus
dem Dränge eines edlen weiblichen Herzens
bethätigte. I n Neapel, so lange sie dort
weilte, übte sie große Wohlthätigkeit, und
um die Sache als ganz sich von selbst ver»
stehend erscheinen zu lassen, erklärte sie immer,
daß ihre Religion sie dazu verpflichte, von
ihrem Vermögen den Armen einen bedeuten-
den Theil zufließen zu lassen. Aber auch die
fernen Armen in der deutschen Heimat vergaß
sie nicht. Wenn sie in Neapel weilte, gedachte
sie auch der Armen in Frankfurt; wenn sie in
Frankfurt sich befand, ließ sie für die Frauen-
vereine in Berlin und Hamburg Kleidungs«
stücke in Menge arbeiten; sie kaufte förmlich
ganze Waarenlager, um Dürftigen damit
eine Freude zu machen, und so unterstützte
sie zugleich die Industrie, den Handel und
erfreute die Armen. Ihr Nekrolog rühmt sie
als eine dcr in unserer Zeit selten geworde- ^ Nothschild) Karl Maier
nen Frauen, da die Emancipationsideen der
Gegenwart edle, weibliche Gemüther ein«
schüchtern und die Fülle der Nächstenliebe
und Herzensgüte aus Besorgniß, verkannt
oder mißbraucht Zu werden, eindämmen.
Baronin Adelheid beschenkte und beglückte
mit einer unnachahmlichen Liebenswürdigkeit
der wahrhaft Dürftige, der sie verließ, war
ebenso durch die Gabe, die sie ihm gereicht,
beglückt, als durch die Art, wie sie ihm
selbe dargeboten gehabt, getröstet und zu
neuem Muthe, zu neuem Streben aufgemun«
tert. Sie wartete jedoch selten, bis das Lei-
den an sie herantrat, sondern sie forschte es
aus. sie suchte es auf und erkannte es mit
dem Scharfblicke echter Menschenliebe auch
dann. wenn es von einem gewissen Nimbus
von Wohlergehen umgeben war; und so half
sie denn am allerliebsten dem verschämten
Armen. Ueberdieß war Frau Ad e lheid eine
warme Beschützerin und Pflegerin der Kunst,
sie achtete und feierte das Wissen und das
Genie, sie zeigte begeisterte Würdigung für
alles Erhabene, Große und Schöne, wo sie
es fand. und gestand demselben Berechtigung
neben der höchsten Stellung im Leben zu.
Es war, als ob alle Grazien, wo sie immer
sich befand, unsichtbar sie umschwebten. Selbst
geistreich und von warmer Liebe für die
Kunst beseelt, war ihr Urtheil über die wich,
tigsten Erscheinungen im Leben und in der
Kunst stets ein klares und sicheres. Sie war
eine seltene, gottbegnadete Frau. und Herzens«
gute, Seelenadel, Wissen. Kunstliebe, echte
Religiosität und Vorurteilslosigkeit flössen
in ihr zu einer Harmonie zusammen, lvie
man einer solchen im Leben nur selten be<
gegnet. Dabei verfocht sie mit fast männlicher
Unerschrockenheit die Interessen ihres damals
noch unterdrückten Volkes, und merkwürdig
bleibt ihre Audienz bei Papst P ius IX..
gegen den sie sich über die Verfolgungen,
welche der Cardinal della Gengha mit
einem Paar seiner purpurbekleideten Genossen
gegen die Ghetiobewohner Roms sich erlaubte,
bitter beschwerte und ibn aufmerksam machte,
wie solche Barbarei im l9. Jahrhunderte
nicht mehr am Platze sei, und daß dem hei-
ligen Vater das Verfahren gegen seine Glau-
bensgenossen in Irland nicht härter schmerzen
könne, als sie die Verfolgung ihrer Glaubens--
genossen im Kirchenstaate. Allgemein und groß
war die Trauer, als diese seltene Dame zu
Frankfurt im Jahre 1853 im Alter von
33 Jahren starb. Ihr Gemal hatte sich in
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Band
- 27
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 386
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon