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Rothschilds MaierAns. 133 Rothschild) MaierAns.
Anziehend schildert Gutzko lv Rothschild's
bis zur Wissenschaftlichkeit sich erhebende
Liebe für Münzen. „Maier Anseiln war
bewandert in jeder Centurie, in persischen,
byzantinischen Münzen, er war geschickt, das
Werk des Professors Eckhel in Wien zu
recensiren, wenn ihn die salzburgische Litera-
tur-Zeitung dazu aufgefordert hätte. Er trieb
das Comptoirgeschäft, aber er that es wie
MoseS Mendelssohn, der auf der Burg-
straße in Berlin das große Buch einer Sei«
denwaaren-Handlung führte und nebenbei in
dem noch größeren Buche der Natur und des
Geistes blätterte. Nur war der Unterschied,
daß Mendelssohn für Kant. Maier
Anselm für Winckelmann schwärmte.
Jener unterschied das Räumliche von dem
Zeitlichen in der Erscheinung, dieser einend
Caraca l l a von einem Heliogabal.
Jener wußte, wie sich das Gute von der
Güte, das Schöne von der Schönheit. Ari>
stoteles von Plato und beide wieder von
Sokrates unterschieden; Dieser, wie weit
die Römer in Deutschland vorgedrungen sind,
wo sie ihre Todten begruben. Mai er An-
selm war ein Antiquar, der für die That»
sachen der Geschichte schwärmte." In seinem
Verkehre mit Maier Anselm lernte der
Landgraf in demselben den ebenso geschäfts»-
kundigen als strcngrechtlichen Kaufmann ken<
nen und bediente sich seiner bei Abwickelung
verschiedener Grldannelegcnheiien, welche
Nothschild immer auf das Zuverlässigste
und Prompteste ausführte. So gewann
Maier Anselm das unbegrenzte Vertrauen
des von 1783 bis i82l regierenden Land'
grasen, nachhelfen Churfürsten. Als Wi l .
Helm im Jahre 1806, bei Ausbruch des
Krieges der Franzosen mit Preußen und Ruß-
land , von Napoleon's Haß verfolgt, sein
Land verlassen mußte, nahn» drr Fürst keinen
Anstand, den größten Theil seines Vermögens
Mai er Anselm R., den er schon im Jahre
lsot zu seinem Hofaaenten ernannt hatte,
anzuvertrauen. Rothschild bewahrte die
ihm übergebenen Millionen mit Sorgfalt
und Treue. Als Churfürst Wi lhelm bald
nach seiner Flucht durch Napoleon für
«abgesetzt und seines Landes verlustig erklärt
wurde, stand zu besorgen, daß die Franzosen
den von M a i er Anselm übernommenen
Geldschatz des flüchtigen Fürsten aufspüren
und abverlangen würden. Aber Nothschild
hütete das von ihm anvertraute Gut wie
sein eigenes. In die Weinfässer seines KellerS soll er die churfürstlichen Gelder versteckt
haben. Ihm selbst war es nicht mehr ver>
gönnt, den gehüteten Schah seinem Fürsten
zurückzustellen; denn der Churfürst kehrte erst
1813 in sein Land zurück und Maier An-
sel war das Jahr zuvor bereits gestorben.
Aber seine Söhne thaten es und übergaben
Wilhelm I. (als Landgraf IX.) die ganze
anvertraut? Summe nebst den aufgelaufenen
Zinsen. Der Churfürst war über diese im
Ganzen doch selbstverständliche Ehrlichkeit
erstaunt und dieser Umstand. da dieser Vor«
gang bei allen europäischen Höfen bekannt
und das Bankhaus Roth schild nun gern in
finanziellen Dingen benützt wurDe, bahnte den
Söhnen den Weg zu jener Höhe. auf welcher
heute die Familie Rothschild stcht Beide
Momente: „Die Uebergabe des Schatzes durch
den Landgrafen an Ma i er Anselm" und
„Die Zurückerstattung des anvertrauten Oll'
tes durch Mai er Anselm's Söhne" sind
durch den berühmten Maler des israelitischen
Haus» und Familienlebens, MorizOppen»
h e'im. verherrlicht worden, wie dessen schon
im Abschnitte „Neber die Familie Noth»
schild im Allgemeinen" Erwähnung geschah.
Ma i er Anselm bttriev sein Geschäft mit
Umsicht und Sorgfalt. Im Jahre l?6l) hatte
er in der Frankfurter Iudengasse das Haus
zum'„grünen Schild", ein altes, fast bau«
fälliges Gebäude, angekauft und dasselbe
mit seiner Gattin bis an sein Lebensende
bewohnt, während letztere noch 37 Jahre
länger lebte, in welcher Zeit sie die Macht
und Größe ihrer Familie in ungeahnter Weise
hatte wachsen gesehen, in demselben auch
dann wohnen blieb, als es ihr freistand, in
einen fürstlichen Palast zu übersiedeln. Im
Jahre l798 besaß Mai er Anselm bereits
die Mittel, neben seinem Frankfurter Hand-
lungshause nn zweites in London zu grün-
den; schloß in den Jahren 1804—l8l2 mit
dem Staate Dänemark Anlehengeschäfte im
Gesammtbetrage von zehn Millionen ab und
und übernahm 1808 die Jahre lang dauernde
Besorgung von Geldlieferungen an das eng«
lische Heer, welches in Spanien gegen die
Franzosen kämpfte. Ma i er Anselm starb
' nahezu 70jährig. Er war ungeachtet seines
erworbenen Reichthums in Lebensweise und
Kleidung stets seiner früheren Gewohnheit treu
geblieben, und nahm das Andenken eines
durch Rechtlichkeit und kaufmännische Tüch»
tigkeit, durch Frömmigkeit und Menschenliebe
ausgezeichneten Menschen mit. Stets hat er
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Band
- 27
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 386
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon