Seite - 137 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
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Nothschild) Nathcm Maier. ^Z7 Nothschild, Nathan Maier
seinem Urtheile bei allen ihren Unternehmun»
gen vertrauten und ihn, seiner Superiorität
sich fügend, als das bewegende Princip der
großen Capitalmasse, welche sie repräsentirten,
anerkannten. Nathan R. hat eigentlich der
Erste fremde Anlehen in England eingeführt,
und wenn er dabei einige Male in nicht
geringe Verlegenheiten gerieth, ja, ein paar
Male ihm aus seinen Unternehmungen offen»
bare Nachtheile erwuchsen, so hatte er sich
eben durch die reelle Weise, in welcher er
unter allen Umständen seine Gesckäfte ab.
wickelte, jenen unbegrenzten Credit erworben,
der ihn dann leicht in die Lage setzte, sich
für seine Verluste zu entschädigen. Es geschah
mehrere Male, daß die Dividenden, die er
Zu leisten hatte, nicht zu rechter Zeit ein«
liefen. In solchem Falle nahm er seine eige«
nen Mittel in Anspruch, um die nöthigen
Vorschüsse zu leisten. Großer Nachtheil erwuchs
ihm aus der Lord Bexlay's Anleihe, bei
welcher er nicht weniger denn 500.000 Pfund
Sterling verloren haben soll; auch bei den
französischen Anlehen zur Zeit der französischen
Invasion in Spanien im Jahre 1823. bei
denen er stark engagirt war. half er sich nur
durch seine eigenen Ressourcen, so daß sein
ganzer Gewinn darin bestand, keinen eigent-
lichen Verlust erlitten zu haben. Dann bei der
französischen vierpercentigen Anlehe. welche
er kurz vor den Iulitagen mit Herrn von
Pol ignac abgeschlossen hatte, und welche
nachher 20—30 Percent und noch tiefer sank,
hatte er sich erst lange darnach einigermaßen
erholt, aber von einem Nutzen war auch dabei
keine Rede. Durch die feste Haltung aber in
diesen verunglückten Geschäften wuchs eben
das Ansehen seines Hauses derart, daß alle
Staaten, welche Geld bedurften, gleichsam
darnach geizten, seine Mitwirkung zu erlan«
gen, und Nathan Rothschild war auch
geneigt, mit Allen Geschäfte abzuschließen,
nur nicht mit Spanien und jenen amerikani'
schen Staaten, welche vordem spanische Colo«
nien gewesen. Seit dem Jahre 1820 war
Nathan R. österreichischer Consul, wurde
im Jahre 1822 General'Consul und im näm<
lichen Jahre von Kaiser Franz I., wie es
im Diplome wörtlich steht: „in Rücksicht der
sich um Meinen Staat erworbenen Verdienste"
in den Freiherrustand erhoben. Ueber seinen
Charakter als Mensch ist viel geschrieben wor>
den, aber AlleS stimmt darin, daß er „Kauf-
mann höheren Stules von reinstem Wasser",
ferner in der Anerkennung seines reellen Wesens und in der Würdigung seiner vielen vorireff>
lichen Eigenschaften überein. Im Jahre 4806
verheirathete sich Nathan mit Hannah.
der dritten Tochter des Herrn Levi Barnett
Cohen. und obgleich Nathan damals
schon, was man zu sagen pflegt, ein gemachter
Mann war. so stand der Vater der Braut
doch an, sein Jawort zu dieser Verbindung
zu geben. Und als Cohen in seiner Nnschlüs-
sigkeit btcharrte, meinte einer seiner Freunde,
er könne, wenn er noch so viele Töchter
hätte und er bei seinem Schwiegersöhne auf
Geld und guten Charakter sähe, am Ende
doch nichts Besseres thun, als alle an Na«
than Maier Rothschild uerheicathen.
Dieser jocose Rath scheint seine Wirkung
nicht verfehlt zu haben, denn C o h e n machte
weiter keine Einwendungen, Nathan litt
seit Jahren an einem Leiden, von dem Alle.
die darum wußten, besorgten, daß es ihn
dahinraffen werde, Ginmal unterwarf er sich
einer sehr schmerzhaften Operation, welche er
standhaft aushielt und welche der berühmte
Chirurg Llston ausgeführt datte. Nachdem
die Operation zu Ende, sagte Nathan zu
Dr. I iston: „And Sie verlangen wohl gar,
daß ich Sie für den Schmerz, den Sie mir
verursacht, auch noch bezahle. Sie irren sich
aber sehr. Ich geben Ihnen nur dieses kleine
Andenken" . und mit diesen Worten warf er
ihm die Nachtmütze zu, Liston, der die
Svässe seines Patienten kannte, sing die
Nachtmütze auf und steckte sie ein. Als er
nach Hause kam und sie genauer besah, fand
er eine Tausendpfundnote darin. Solcher gut'
wüthiger Züge erzählt man sich viele von
Nathan. Aber die Kunst der Aerzte scheiterte
an seinem Leiden. Als er im Sommer <836
nach Frankfurt reiste, um der Hochzeit seines
ältesten Sohnes I ionel mit Charlotte,
der Tochter seines jüngeren Bruders Kar l
Maier, beizuwohnen, befiel ihn während
der Dauer des Familimwngresses fein Leiden.
Er sollte, wie er es geahnt, London nicht
wieder sehen. Der berühmte Arzt Travers
eilte aus England herbei, aber auch er konnte
nicht helfen. Nathan starb in Frankfurt im
Alter von 59 Jahren. Eine Brieftaube, die
in Brighton geschossen wurde, batte einen
Zettel mit den Worten.- „II oät moi-t" bei
sich, die sogleich verstanden wurden. Er war
es eben, der sich der Taubenpost zu seinen
Speculationen längst bediente. Als im Juli
1830 das englische Ministerium eine Ttörung
des Weltfriedens gar nicht abntc. erhielt
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Band
- 27
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 386
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon