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Salieri 100 Salieri
Gaßmann. dann jene Wranitzky's:
Madame S ei dler in Berlin und Kraus
in Wien. Noch bleibt Einiges über S a>
l ier i den Compositeur und den Menschen
zu sagen übrig. Als Compositeur war er
vorzugsweise dramatischer Komponist —
nicht Opemfabnkant; viele seiner Werke
gehören zu dem Besten, was jemals in
der dramatischen Musik geleistet worden,
mehrere derselben bleiben classische Vor»
bilder in diesem Kunstfache. Jedes seiner
Werke, das größte wie das kleinste..trägt
den Stempel deS philosophischen — d. i.
nach sicheren Grundsätzen folgerecht den-
kenden — Tonsetzers, der für jede Dich-
tung den ihr entsprechenden Styl zu
Wahlen, jede Situation richtig zu erwa»
gen. jeden Charakter scharf und fein zu
zeichnen, jede Empfindung und ihre Ab«
stufungen naturgemäß auszudrücken ver»
steht. Während man nirgends durch eine
falsche Auffassung unangenehm berührt
wird, fühlt man sich hingegen oft von
der schlagenden Wahrheit des Ausdrucks
überrascht. Wie er im Pathetischen daS
tiefste Gefühl, die glühendste'Leidenschaft
zum Ausdrucke bringt, so reißt er unS zm
Heiteren und Komischen durch eine ganz
eigene geistreiche Laune zum Lächeln und
Frohsinn hin. Die stete Uebereinstimmung
der Melodie mit dem Inhalte der Verse,
die durchaus genaue Beobachtung des
Rhythmus und der Prosodie beweisen,
daß Sal ier i nicht blos Tonsetzer, fon«
dern daß er auch Dichter war, und in
der That war er es auch, wie es die
beträchtliche Anzahl gemüthlicher oder
scherzhafter italienischer Strophen beweist,
welche er bei vorkommenden Gelegen-
heilen mit Geist und Humor erfand und
dann auch selbst in Musik setzte. Seine
beiden Canons: „Huttg. oavat lapiäem"
und zu dem von ihm erfundenen Scherz,
distichon: „O du schönes Greiner Hüttel, für dein Lob sind' ich kein Titel", ersteres
auf der Stiegenstufe componirt, als er
die vier Treppen zu dem Maler Duvi»
vier, der in der Singerstraße so hoch
wohnte, erstieg und ihn ein ihn beglei«
tender Freund warnte, seine Gesundheit
zu schonen, letzteres im Salon der Gräfin
Viczay auf die bei Baden befindliche
Greinerhütte geschrieben, wovon ihm als
Preis von der liebenswürdigen Comtesse
Viczay ein Kuß zuerkannt wurde, sind
treffende Belege seines gesunden musika«
lischen Humors. Mosel in Sal ier i 's
Biographie gibt eine ausführliche Dar»
stellung beider Vorfälle. Von seinen Me«
lodien bemerkt ein trefflicher Mufikkenner
und Zeitgenosse Sal ier i 's , Herr von
Rochlitz. daß sie das Gedicht mit einem
leichten, durchsichtigen Kleide zu umgeben
scheinen, eS dadurch verschönern, wirk«
samer machen und den Eindruck der
Declamation verstärken. «>Die größten«
theils geschmackvolle, oft trefflich bezeich,
nende, immer aber einfache Instrumen-
talbegleitung diente ihm eben nur, die
Melodie zu tragen, den Gesang im
eigentlichsten Sinne zu begleiten und jenen
Ausdruck, welcher in die Singstimme
nicbt gelegt werden konnte, zu ergänzen.
Seine Ritornelle,sind keine nichtssagen«
den, die Handlung aufhaltenden oder
störenden Instrumental» Concerte; als
Eingangsmustk bereiten sie auf dasjenige
vor, was man vom Sänger hören wird;
als Zwischenmusik aber unterstützen sie
nicht nur die Action der singenden Person
auf'S Trefflichste, sondern sie geben"ihr
das passende Spiel so deutlich an, daß
man selbst bloS im Lesen der Partitur
sich die Bewegungen des SängerS lebhaft
vorstellen kann. Mit der Vollendung sei«
nes'fünfzigsten Lebensjahres hörte S.
auf,, für das Theater zu componiren,
denn. sagte er selbst, dazu bedarf es
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon