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Salieri 401 Salieri
einet frischen, jugendlich blühenden
Phantasie und einer raschen, leben»
digen Empfindung, und er widmete
sich fortan der Kirchencomposition. Nach
dieser Richtung ist S.. da er blos für
seines Kaisers Hofcapelle geschrieben,
außerhalb Wien nur wenig bekannt, ob-
wohl er es nicht minder zu sein verdiente.
Seine kirchlichen Werke lassen sich dem
Geiste und der Schreibart nach wohl am
nächsten mit denen Joseph Haydn's
auö dessen früherer Zeit vergleichen; doch
sind sie ob der beschrankten Räumlich,
keilen jener Capelle. welche nur eine
schwache Besetzung gestatten, weniger
reich instrumentirt; sie sind auch weniger
kunstvoll, hinsichtlich auf Fuge und Con«
trapunct überhaupt ausgearbeitet; fie
haben aber einen noch schöneren, dem
Ausdrucke nach über das Ganze entschei«
denderen Gefang, und diese Werke einer
einfach edlen, frommen, milden, doch
aber begeisterten Gattung zählen zu dem
Trefflichsten, was die Musik in dieser Art
besitzt. — WaS Sa l ie r i den Menschen
betrifft, so war er eine echte, durchaus
edle Künstlernatur. Sein Leben, das
Herr von Mosel in anmuthender Weise
erzahlt, enthält eine Menge köstlicher
Züge, die unS ebenso ergötzen, als für
den Meister einnehmen. Ungeachtet seiner
großen und genialen Thätigkeit, die
überdieß wenig zu kämpfen hatte, sondern
der es vielmehr gegönnt war, sich auf
geebneten Pfaden unter dem warmenden
Sonnenstrahle günstiger Umstände früh»
zeitig zu entwickeln, war er stets beschei»
den und liebenswürdig, und im Umgänge
von einer Einfachheit und LiebenSwür«
digkeit, welche nie den OeniuS, der er
war, ahnen ließen. Seine Urtheile über
Musik waren kurz, aber wahr und zutref.
fend, mitunter sarkastisch witzig. Als ihm
der Wiener Musikverleger S. A. Siei . ner eine Sonate von einem MusicuS
Namens Geb au er mit der Bitte vor-
legte, er möchte sie nur durchsehen, da er
von dem Comvositeur überlaufen und
gequält würde, sie stechen zu laffen, und
er doch zuvor das Urtheil eines Kennerg
darüber einholen möchte, sah Sa l ie r i
daS Tonstück aufmerksam durch und schrieb
dann darüber: „Gch Bauer!" ohne ein
Wort weiter zu sprechen. Als Bestätigung
dieses richtigen Urtheils schrieb Beet«
hoven, der einige Stunden später das«
felbe Tonstück einsah, unter Sal ier i 's
Worte einfach: „VW Lootkovsn".
Im Uebrigen war S.. um Niemand
zu verletzen oder zu entmuthigen, mit
seinen Urtheilen ebenso vorsichtig als
zurückhaltend, und stellte sie gern probte-
matisch: „Ich glaube" oder „nach meiner
Meinung" oder „wenn ich etwas zu
sagen hätte", mit solchen Worten pftegte
er dann seine Ansichten und Urtheile ein>
zuleiten; wenn er aber öffentlich, im
Interesse der Kunst, zu einem Urtheile
aufgefordert wurde, oder wenn er einen
Schüler vor fick hatte, dem er zugethan
war und um dessen künstlerische Entwicke»
lung eS sich handelte, dann sprach er sich
ohne Umschweife, offen und entschieden,
aber immer wieder so aus, dah er sich
nicht als unfehlbar geberdete. Trotz sei»
ner Liebenswürdigkeit im Umgänge und
der allgemeinen Achtung, der er sich und
mit Recht erfreute, fehlte es auch ihm
nicht an Neidern und bösen Zungen,
welche, wenige Jahre vor seinem Tode.
um das Jahr 1823 nichts Geringeres
unter das Publicum brachten, als „S a-
l ie r i habe Mozart aus Neid vergiftet
und sei darüber wahnsinnig geworden".
Ueber die Absurdität dieser gemeinen
Verleumdung ist es nicht nöthig, noch
Worte zu verlieren. WaS S.'s äußere
Erscheinung betrifft, so war er von mehr
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon