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Saphir 214 Saphir
befreundete er sich mit dem im gleichen
Alter stehenden Sohne einer jungen hüb-
schen Witwe. Dieser Letztere kam nun
einmal auf die Idee. daß. wenn Mor iz
seine Mutter heirathete. er nun sein Vater
würde. Dabei fand Mor iz an der sau-
beren Mutter seines Freundes auch Ge»
fallen, er ging nun nur zu gern auf die
Idee seines Freundes ein und hatte
nichts Eiligeres zu thun, als mit diesem
Verlangen vor den Vater zu treten.
Dieser hielt dieseS Begehren anfänglich
für einen muffigen Knabenscherz, als aber
Mor iz sein Anliegen mit allem Ernste
betonte, ttug es ihm eine höchst unsanfte
Berührung der Vaterhand mit seiner
Wange ein. Das brachte daS Gemüth
des Knaben in wahre Empörung. Er-
zürnt verließ er das Vaterhaus, lief nach
Preßburg, wußte von seinen dort leben»
den Verwandten einiges Geld zu erlan-
gen und ging nun, es war im Jahre
4806. selbst nach Prag. wo er in die
rabbinlscbe Schule eintrat und mit seinen
großen Fähigkeiten bald allgemeines
Stauden erregte. In der That machte
er auch in seinen rabbinischen Studien
solche Fortschritte, daß ihm das dortige
Kollegium ein Diplom ertheilte, wodurch
er berechtigt wurde, in jeder israelitischen
Gemeinde über Streitigkeiten religiösen
Anhalts vollgiltig zu entscheiden. Aber
daS war eS nicht, wonach S. geizte;
nachdem er sich, während er rabbinische
Studien betrieb, zugleich mit den Heroen
der deutschen Dichtung und Wissenschaft
näher vertraut gemacht, fand er an den
theologischen, geisttödtenden und nutzlosen
kabbalistischen Spitzfindigkeiten der Rab-
binen kein Gefallen mehr. und trunken
von der GeifteSfrifche der deutschen äite-
rawr, hing er Talmud und waS damit im
Zusammenhange stand, auf den Nagel und
begann nun eindringliche und fleißige Studien der deutschen, französischen, ita-
lienischen und englischen Sprache und Lite«
ratur, mit deren Meisterwerken nach jeder
Richtung hin er sich bald völlig vertraut
gemacht hatte. Aber so leichten Kaufes
sollte dieses Aufgeben des elterlichen Pla«
nes nicht vor sich gehen. Der Vater wollte
von einer Veränderung der Standeswahl
weiter nichts wissen, und als der Sohn
zur Rückkehr zu den rabbinischen Studien
schlechterdings nicht zu bewegen war, ent.
zog ihm der Vater die Subsistenzmittel zu
längerem Verbleiben in Prag. I n die
Zeit deS Prager Aufenthaltes fallt auch
Saphir 's erstes poetisches Product, daS
er auf der Prager Brücke gedicktet und sei»
nen beiden Freunden Ludw. H. (alirsch?)
und Ioh. Gab. S.(eid l?) aus der Ferne
zugeschickthal. Das seltene, fastverschollene
Gedicht brachte Kober'S „Von Haus
zu Haus" 1860, S. 238. Der Zwiespalt
zwischen Vater und Sohn war nicht von
langer Dauer. Der Vater wollte durch
hartnackiges Beharren auf seinem Ent>
schlusse den talentvollen Sohn nicht ganz
verlieren, und indem er ihm Reisegeld
schickte, berief er ihn 48i4 in's Vater-
hauS. wo er an dem Handelsgeschäfte
seines Vaters theilnehmen sollte. S.
kehrte auch zu seinem Vater zurück und
gewann, in dessen Geschäft eintretend,
bald sein unbedingtes Vertrauen. Aber
auf die Dauer sagte dem von dem Ge»
nusse des geistigen Schaffens entstammten
S. solch trockenes, mercantiles Gebaren
doch nicht zu. und statt die Strazzen zu
führen, die Contobücher im Stand zu
halten und die Contracte für die Liefe,
ranten zu schreiben, schrieb er Scherz»
gedichte, ersann witzige Charaden und
knüpfte trotz seiner nichts weniger als
einnehmenden Larve kleine Verhältnisse
an, die ihm die Zeit vertreiben halfen
und ihn amusirten. Dabei machte er
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon