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Saphir 216 Saphir
durch ihre ungeheure Wirkung erprobte
Satyre auf die Abgeschmacktheiten und
Lächerlichkeiten des orthodoxen Juden-
thumS in den Familien gebildeter Israe<
liten noch heute in Abschriften circulirt
und sich wie eine Tradition von Vater
auf Söhne vererbt. Daß unter solchen
Umständen und bei seiner sich stets stei«
gernden Beliebtheit ihm der Zutritt in
vielen Hausern möglich war. versteht sich
von selbst. Aber bald war ihm Pesth als
bleibender Schauplatz seiner geistigen
Thätigkeit, obgleich dymals der Magya«
rismuS noch nicht dominirte und der
ungarische Globus als für sich stehende
Welt noch nicht erfunden war. viel zu
enge; er folgte im Jahre 1822 einer Ein-
ladung Bäuerle'S nach Wien und
wurde bald dessen Hauptmitarbeiter an
der damals tonangebenden,Theater«Zei-
tung". Aber auch an den anderen Blät»
tern war S. thatig, so an Gräffer's
,Eonversationsblatt", an Schmidl's
,3iterarischem Anzeiger", am „Samm-
ler" und zugleich war er (Korrespondent
der besten belletristischen Blätter Deutsch-
landS, für daS .Morgenblatt", die
.Abendzeitung" u. a. Aber auch in Wien
fand er sich in kurzer Zeit nicht behag-
l'ch. Im Jahre 1823 verließ er Wien —
nach Einigen wäre er aus Wien gewie«
sen worden, was immer möglich ist, da
man in jenen Zeiten, wie auch lange Zeit
noch später mit den verpönten „Scriben-
ten' nicht viel Federlesens machte und
sie, wenn sie mißliebig wurden, einfach
außer Land verwieg oder. waS noch
schlimmer war, festsetzte. S. ging. nach-
dem er eine längere Reise durch Süd-
deutschland gemacht, zunächst nach Berlin,
wo er seine Anwesenheit mit dem berüch.
tigten „Sontag.Scandal" inaugurirte.
Jetzt beginnt die Scandalperiode seines
Daseins, da es nämlich keine ehrenhaften Mittel gab. die Aufmerksamkeit der foge.
nannten Welt auf sich zu richten, so
mußte der Scandal helfen, ihn in aller
Welt Mund zu bringen. I n Berlin ließ
er ein Gedicht auf Henriette Sontag
in der Spener'schen Zeitung inseriren,
welches, nachdem die versteckte Persiflage
enthüllt war, im größten Theile des
Publicums ungeheure Entrüstung erregte,
aber für den Verfasser auch die Folge
hatte, daß ein Buchhändler, der aus die«
sem Scandal eine reiche Ernte zu ziehen
hoffte, sofort den Autor aufsuchte und
ihm unter den glänzendsten Bedingungen
die Redaction seiner Zeitung antrug.
Der Buchhändler hieß Krause, die
Zeitung war die „Berliner Schnellpost",
ein Blatt, daS durch Saphir 'S Mit-
Wirkung ein Moment in der Richtung,
weniger in der Entwickelung der deut»
schen Journalistik bildet. Es ist viel
gefragt worden, waS denn die anmuthige
Henriette Sontag verbrochen habe,
um den Angriff Saphir 's hervorzu»
rufen. Eine aufklarende Antwort ist nie
ertheilt worden, denn die beißende Lenie:
„Der Affe hat den Engel geseh'n, nun
kann man die ganze Geschichte verfteh'n'
ist doch mehr eine galante Interpretation,
als die LoSschälung der Hülle vom eigent-
lichen Kern. Die Geschichte ist im Artikel
Rossi-Sontag <M. XXVII, S. 68
u. s.^ ausführlich erzahlt und wird, um
Wiederholungen zu vermeiden, auf den»
selben gewiesen. Die „Schnellpost' aber
nahm nun unter S. einen ungeahnten
Aufschwung. I n Einem stimmen leider
die höchsten Kreise mit den niedersten
zusammen, im Behagen am Scandal,
und dieser wurde in den Spalten deS
Journals reichlichst geboten. Adolph
Schaden erzahlt die Geschichte mit der
„Schnellpost" in anderer Weise. Der
Inhalt der „Schnellpost" reichte für daS
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon