Seite - 220 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Saal-Sawiczewski, Band 28
Bild der Seite - 220 -
Text der Seite - 220 -
Saphir 229 Saphir
gar nicht gemacht, hatte sich überlebt.
Aber er wollte daran nicht glauben,
noch immer schwang er seine Narren
peitsche wie zuvor, griff Alles an. was
ihm in den Weg trat, und man ließ ihn
schalten, denn man schonte den alten
gebrechlichen Mann und ließ von seinem
Gekläffe sich nicht anfechten. Aber ein
mal, im Jahre 1836, kam er an den
unrechten Mann. I n einer Frühjahrs
nummer seines „Wochenkrebses" erklärte
er. er habe die Wiener Journalistik von
jeher durch Furcht beherrscht und rieth
sämmtlichen Lollegen schließlich: „D'rum
wer klug ist, lerne schweigen". DaS war
eine directe Herausforderung, und jeder
Journalist Wiens, der einigermaßen Ehre
im Leibe hatte, mußte voraussichtlich bei
der ersten Gelegenheit, die sich ihm dar»
bot, dem übermüthigen Humoristen be>
weisen, daß Furcht in der Reihe von
Empfindungen, welche ihm daS Wirken
Saphir'S errege, nicht anzutreffen sei.
Ts fand sich auch bald genug die Gelegen-
heit. Tin junger Wiener Journalist, der
Kritiker in der „Ostdeutschen Post" war.
Herr Valdeck, dem Saph i r in seiner
gewohnten Weise in den Weg trat, wies
den Humoristen in ganz energischer Weise
zurecht. Nun entspann sich jene merk»
würdige, wochenlang dauernde Fehde,
welche an die blühendsten Tage der vor»
märzlichen Aera mahnte, denn ganz
Wien sprach durch Wochen nur über den
Saphir.Valdeck.Semlitsch.Scandal, von
dem alle Blätter voll waren. Saphi r
hatte seine Ieute gesunden. Die vollc
frische, ihm geistig und sittlich überlegene
Jugend konnte sich mit ihm messen, und
als der Aufsatz: die „Abwickelung der
Saphir-Mumie" (Donau 1856, Nr. 38,
Abendblatt) erschien und in einer Folge
von Gedichten: „ Im Geschmacke der wil-
den Rosen" Saphir 's Muse den Todes- stoß erhielt, da war eS um Saphi r ge«
schehen. und wenn auch seine Angreifer, die
vielleicht etwaS zu weit gegangen waren,
vor Gericht — denn Saphi r , dessen
Feder stumpf geworden war, lieh den
Knoten, den er selbst geschürzt, durch daS
Schwert der Gerechtigkeit durchhaum —
verurtheilt waren, die öffentliche Meinung
hatte über Saph i r ihr Verdict gespro«
chen und der Saphir-NimbuS war sür
immer dahin. I n den Quellen ist die
ganze, zur Geschichte der Entwickelung
der. österreichischen Literaturzustände nicht
unwichtige Savhir'Valdeck-Affaire sorg.
faltig verzeichnet, denn daS ist eine unbe-
streitbare Thatsache: der eigentliche Vater
jenes mit dem Namen „Revolver>Prefse"
bezeichneten und heute noch rumorenden
Bruchtheiles der Wiener Journalistik ist
M. G. Saphi r , diese Entehrung der
österreichischen Schriftstellerwelt ist S.'S
eigenstes Werk. Nachdem dieser letzte
Act in Saphir 'S Leben abgespielt
war, sah und hörte man — außer wenn
sein „Wochenkrebs" wöchentlich einmal
aus dem Schlamme seines Montags«
Humors herauskroch — von Saphir
nicht mehr viel. Nur, als er im Sommer
1838 zu Baden krank darniederlag, wen-
dete sich ihm, da er mit einer Resignation
und Ruhe. die man bei ihm nicht gesucht
haben würde, seinem Ende entgegensah,
die allgemeine Theilnahme noch einmal
zu. Die Wiener hatten eS ihm nicht ver-
gessen, daß er sie durch ein Vierteljahr-
Hundert mit seinen Spaßen und Witzen
weidlich belustigt und daß er ihren Armen
und den Armen anderer Städte Tau-
sende und Taufende von Gulden gespen-
det . was ihm denn doch nur durch
jene Fülle von Geistesgaben möglich
war, die er in der That besaß. Was
der arme Mann noch in seinen letzten
Tagen erleben mußte, zeigt wieder die
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon