Seite - 221 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Saal-Sawiczewski, Band 28
Bild der Seite - 221 -
Text der Seite - 221 -
Saphir 221 Saphir
volle Unverschämtheit deS Egoismus, dem
jede Stunde, auch die Sterbestunde, gut
genug ist, wenn es nur gilt. sein Ziel zu
erreichen. So schickte eine Frau dem auf
dem Sterbebette liegenden, seiner Auf-
lösung entgegensehenden Saph i r ein
leeres Albumblatt mit der Bitte, dasselbe,
wenn es noch nicht zu spät ist. zu guter
Letzt für sie und ihre kleine Eugen ie
mit ein paar Worten deS gefeierten Dich.
terS zu schmücken. „Ich hatte", schreibt
Saphir selbst in einem vom Kranken-
bette datirten Briefe, „geistige Klarheit
genug, diese humoristische Zumuthung
auf folgende Weise zu erfüllen. Ich schickte
ihr nämlich das Blatt mit folgenden
Worten zurück: „Hier ein frugales Blatt
für euer liebes Album, es bringt weder
die Kuh noch daS Kalb um"." Ebenso
naiv kam ein bekannter Zeichner und bat,
er möchte ihm noch in der Geschwindig'
keit zu einem Porträte sitzen. Saphi r
erwiederte ihm, die Alteration über diesen
Antrag überwindend: „Ich sitze schon
zwei Monate dem schwarzen Kreidezeich'
ner ,Tod". ich bin überzeugt, daß, wenn
er mich trifft, eS ein Bild „nach dem
Leben" fein wird". Indem Saphir
noch wenige Tage vor seinem Tode seine
letzten Verfügungen getroffen, starb er
am Sonntag (3. September) Früh um
halb vier schmerzlos und ruhig. Seine
letzten Worte waren: Jetzt ist eSauS.
ich muß fort. Seine Leiche wurde nach
Wien gebracht und auf dem Protestant!«
schen Friedhofe bestattet. Der Partezettel,
der sein Ableben anzeigte, nannte ihn
„k. bayer. Hoftheater. Intendanzrath,
Eigenthümer und Redacteur deS „Humo«
rist", Mitglied mehrerer literarischer Gesell-
schaften und Ehrenbürger der Stadt Pesth".
Er war 64 Jahre alt geworden. Unter«
zeichnet standen sein Neffe Bernhard
Saphi r , seine Tochter Mar is und sein Pflegesohn August Gordon, k. k.
Lieutenant. Mit der Ordnung seines lite-
rarischen Nachlasses wurde der Dichter
Friedrich Hebbel sBd. VIII , S. 464)
betraut. Saphi r besaß alle Talente
und einen reichen Geist, um in der Lite«
ratur eine große und bleibende Rolle zu
spielen. Die er gespielt, war wohl groß,
es ist aber sehr zu bezweifeln, ob sie
eine bleibende sein wird. Seine Wort-
witze. schildert Goedeke sein litera.
rischeS Wirken, warm sammt denen,
die Jeder auf seinen Namm erfand,
eine Zeit lang in Aller Munde. Bei der
gedankenlosen Mittelbildung erfreute sich
sein sogenannter Humor entsprechender
Schätzung, seine für die Declamation
berechneten Plattheiten wurden durch die
Schauspieler.verbreitet; seine lyrischen
Gedichte sind matt. platt und nüchtern,
haben aber boch ihr Publicum gefunden
(mehr denn hundert find und mitunter
von namhaften Compomsten auch mit
entschiedenem Glücke in Musik gesetzt
worden). Die ganze Erscheinung, seine
große Wirksamkeit geben ein erschrecken-
des Bild. wie die selbstbewußte, uner»
müdliche Mittelmäßigkeit sich emporzu»
schrauben vermag. I n der Zeit des
wuchernden Virtuosenthums war er der
Virtuos der Phrase. Hieronymus Lo rm
aber charakterisirt ihn treffend ,als Witz-
bold, der aber durchaus kein Humorist
war; zum Humor fehlte ihm eine der
wesentlichsten Bedingungen: der Ernst.
Er. der Mann. der in tausend Einfällen
lebte, hat niemals für einen Gedanken
gelebt". DaS Verzeichniß seiner Schriften,
die Nrtheile der bedeutenderen Literatur»
Historiker, die Uebersicht seiner Porträte
u. dgl. m. folgen in den Quellen.
I. Uebersicht d<r Werke von M. G. Saphir.
„Poetische Erstlinge (Pesth lMen. Be>
rold) 432l. 8".). — „Poesien" (Wien l8l4,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon