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Saphir 229 Saphir
in Mitleid erregender Weise durch die lang.
gestreckten Verszeilen. Seine heiteren Gedichte
enthalten manchen glücklichen Wurf und find
populär geworden, besonders als beliebte
Declamationsübungen. um so mehr. als sie
sich nirgends über das Niveau hausbackener
Verständlichkeit erheben. Die humoristischen
Vorlesungen Saphir 's, in denen die Ham«
merwerke und Sägemühlen seineS Wortwitzes
aw ungestörtesten arbeiten, enthalten mel
Geistreiches. Glänzendes, Frappantes und
zeugen von einem nicht gering zu schätzenden
humoristischen Talente und einer die Sprache
beherrschenden und bereichernden Virtuosität.
Saphir 's Productivität ist unbegrenzt, denn
die Combinationen des Wortspieles sind so
reich, wie die jedes andern Spieles." —
Nngleich, milder beurtheilt Wolf^ana. M en<
zrl den Humoristen Saphir.- „Einen weit
größeren Ruf" (als der wenig gekannte M i .
seS). schreibt Menzel, „hat Saph i r er-
langt, der sich ebenfalls Jean Pau l zum
Muster nahm. Seine Phantasie ist sehr reich,
seine gute Laune unerschöpflich. An Wortwitz
hat ihn wohl Keiner übertroffen. Wenn er
nur niemals Wien verlassen hätte, wenn er
nur nicht in die Theaterpolemik von Berlin
und München verwickelt worden wäre. Dieß
hat ihn in Lagen gebracht, in denen er seine
schwächere Seile bloßgeben und Inconsequen«
zrn begehen muhte, die zum Hasse Derer, die
srin Witz beleidigt hatte, noch eine Gering,
schätzung hinzufügte, die nicht immer unver-
dient war. Doch habe ich sein Benehmen
immer durch seine Lage entschuldigt und thur
cs hier wieder. Gute Laune ist so selten in
unserer Zeit, daß man sie schätzen und schonen
sollte. Üs vereinigt sich eben so AlleS gegen
sie, uui sie zu verwirren, zu entmuthigen,
und sie pflegt von Natur mit Bonhomie u„d
Leichtsinn so unglücklich gepaart zu sein, daß
sie zu harte Proben nicht bestehen kann.
Saph i r ist in vieler Hinsicht ein Märtyrer
des Humors geworden. In einer minder von
Leidenschaften aufgeregten Zeit und in einer
mehr gesicherten Existenz, etwa in Wien so
eingerichtet, wie weiland Pater Abraham
aSanta Clara, würde er, statt sich überall
Feinde zu machen, nur Freunde gefunden
haben. Scheidet man aus seinen vielen Schrif«
tcn. größtentheils Iournalaufsatze. daö Tri-
viale, Polemische und Momentane, so bleibt
immer ein Kern von köstlichem Witz und ei»,
Buch zurück, daS auch die Nachwelt noch mit
fröhlichem Lachcn lesen wüd." — Ich kann nur wiederholen, was ich schon vor Jahren
über Saphi r , da er noch am L'ben war.
geschrieben: „Saphi r har Witz. Aber seine
Schriften sind weite und lange Flußbette, aus
denen man die Witzkörner, die bald reich,
bald dürftig darin schimmern, herauswaschen
muß. Bei wenigen Schriftstellern findet man
so häufig das Pikanteste neben dem Matresten,
Geistreiches wben Abgeschmacktem, wie bei
Saphir. Saphi r sollte nur Einfälle ver»
öffentlichen, zu größeren Aufsätzen fehlt ihm
oft die Einheit der Auffassung, die Klarheit
der Durchführung. Saphir würde Vieles
selbst streichen, läse er es nochmals mit logi-
scher Prüfung durch, aber was flimmert, mit
Worten schillert, betäubt ihn selbst, über jeden
guten Einfall ist er so froh. daß er dann eine
Menge kindischer Sprünge hinterher macht.
Saphir wird erst recht genossen werden,
wenn ein kritischer Kopf sich an die Arbeit
macht und den „Witz aus Saphir's Werken"
heraushebt. Nas bei anderen Schriftstellern,
deien Geist von Sammlern auf Flaschen ge»
zogen wurde, störend ist, weU der Zusammen»
hang gelöst wird, kann für Saphir.nur
ein Gewinn fein, denn in seinen Productio»
nen ist kein Zusammenhang; was zwischen
Witz und Witz liegt, sind nur öde Steppen
oder trübes Wasser. Saphir wäre aber ein
weit gediegener Schriftsteller geworden, wenn
Deutschland Kritiker ohne Furcht und Tadel
gehabt hatte. Doch die Zwerge der Kritik
wurden bald durch seine schlagenden Repliken
eingeschüchtert, und die sich für Riesen hal»
ten, fürchten auch seinen Witz. und um diese
Furckt zu verbergen, scheinen sie ihn zu über»
sehen und lassen höchstens hin und wieder
einige nichtssagende Worte über ihn fallen.
Wäre sein Talent in das Glühfeuer einer
echten Kritik gekommen, es hätte die Schlacken
fallen lassen, Saphir.hatte aufgehört, in
seinem noch nicht dagewesenen Hochmulhe
sich selbst zu überschätzen, er hätte nach Selbst,
kenntniß gestrebt, statt daß er sich nur abgüt.
tisch anbetet. Jene jämmerlichen literanschcn
Kleinkrämer, die Lobhudler werden, um von
einem ausgezeichneten Talente einen Blick
der Gnade zu erHaschen, jene kriechenden Höf-
linge und Schmarotzer bedeutender Literaten
haben Saphir auf ihrem Gewissen. Leider
ist er nicht stark genug, um sich selbst kindisch
zu erscheinen bei dem Schmunzeln über das
Lob der schwachküpfigrn Schmeichler: seine
Eitelkeit hat daö Neifcn seines GeisteS ge-
hemmt. Das frechste, lächerlichste Lob kann
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon