Seite - 84 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Schindler-Schmuzer, Band 30
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Schleifer 84 Schleifer
näher, eS fehlte ihm der Athem. Thränen
erstickten seine Stimme, stumm sank er in
die Knie. Der Kaiser aber. auf ihn zu-
schreitend, erhob ihn und sprach mit mil-
dem Ernste: „'s ist gut. 's ist gut. führ'
er sich brav auf und wenn er fertig ist.
komm' er zu mir". S. war nicht wieder
gekommen, denn sein guter Kaiser war
dann bald gestorben. Diese Episode, zu
entscheidend in Schlei ' fer 's Leben,
mußte erzählt werden. So bezog S. eine
Windhag'sche Stiftung von jährlichen
200 fl.', kurze Zeit vor seinem Tode —
am20.Februar1790-wies Joseph I I .
dcm braven Studenten eine Zulage von
30 st. an „wegen seiner besonderen Ver-
wendung". Im Jahre l789 begann S.
das Studium der Rechtswissenschaft, wel«
cheS er im Jahre 4793 bcendete. Neben
diesem Beruftstudium lernte aber S. die
Werke der Koryphäen der damaligen
deutschen Dichtung kennen, und zwar jene
von Hal ler, Gel lert . Hagedorn.
Kleist, Uz. Ramler, dann Goethe.
Schil ler und Bürger, und unter den
Oesterreichern lernte erDenis kennen und
lieben. Unter solchen Umstanden versuchte
er sich selbst in kleineren Arbeiten, und
seine Erstlinge erschienen in einem Band»
chen, daö er in Gemeinschaft mit Engel«
bert Grub er und Benedict Aussen-
berg unter dem Titel: „Nrnkmll! nnZrrrr
Frenndchntt" (Wien 1792) herausgab.
Ein um diese Zeit entstandenes kleines
Lustspiel: „Sa handeln Frrnnbe", gelangte
unter fremdem Namen im k. k. Hofburg.
Theater zur Darstellung. Nach beendeten
Studien trat S. in ein Amt und kam
zuerst alö Anuschreiber nach Velm nächst
Himberg bei Wien. im Jahre 1796 in
derselben Anstellung nach Ober-Höflein",
1799 als Kastner nach Litschau an der
böhmischen Grenze und endlich 1391 als
Oberbecunter nach Wallsee nahe an der Grenze von Obcröstcrreich. Am 1. Iän«
ner 1803 verließ S. Wallsee, um als
Pfleger nach Ulmerfeld V. O. W. W.
überzutreten, wo er Ende October bei
dem Rückzüge der Russen unter Kuto-
sow vom Inn als Etapen.Commissär
in Amstetten aufgestellt wurde. Bei dem
mit Beginn des Jahres 1806 stattfinden»
den Abzüge der französischen Armeecorvs
aus Oesterreich fungirte S. als leitender
Beamter bei dem zu Amstetten errichteten
Etarxnspitale. Die Anzahl der durch
drei volle Monate zuwachsenden Ver»
wundelen belief sich über 20.000, welche
Zahl mit den in den französischen Bulle»
tins namhaft gemachten 2000 Verwun»
deten so grell contrastirte, daß S. nicht
umhin konnte, diese lügenhafte Angabe
den unter seine Obhut gestellten ver«
wundeten Franzosen vorzuhalten. Nach
dieser Episode kehrte S. mit Beginn des
Jahres 1807 wieder als Pfleger von
Ulmerfeld nach Wallsee zurück, wobei er
jedoch die ausdrückliche Bedingung stellte,
als erster Oberbeamter und Criminal-
richter von der Gemalin des freiherrlichen
Schloßbesihers nicht mehr mit dem kasern-
mäßigen Er angeredet zu welden! Im
Jahre 1809, bei dem erneuerten Einfalle
der Franzosen, war Schleifer, nahe
daran, das Lcben zu verlieren. Die Fran«
zosen waren nämlich plündernd in den
Markt Wallsee eingedrungen und waren
eben in das Haus einer Witwe eingefal«
len, bei welcher sie Geld vermutheten.
Dem Muthe S.'ö gelang es. die Witwe
von der Gefahr, welche fie bedrohte, zu
befreien, dafür aber verlangten die Plün«
derer von ihm ein Lösegeld mehrerer
hundert Gulden, das er in 13 Minuten
beistellen sollte, widrigenfalls er erschossen
würde. Schleifer rief durch daS Fen-
ster, diese Summe zu seiner Rettung her»
beizuschaffen; Niemand meldete
sich,
wäh«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Band 30
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schindler-Schmuzer
- Band
- 30
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1875
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon