Seite - 123 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Schindler-Schmuzer, Band 30
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Kchlik 123 Schlik
Ableben zum lebenslänglichen Mitgliede
des Herrenhauses ernannt.— Der General
war 73 Jahre alt geworden. Wer diese
Hünengestalt sah, meinte, der könne nicht
sterben, aber der General selbst hatte bei
voller Gesundheit eine Ahnung seines
nahen Endes. Wenige Wochen vor seinem
Tode stand er in seiner Wohnung im
Bürgerspitale am Fenster und schaute den
Arbeitern zu, welche die gegenüber lie»
gende Stadtmauer hinwegräumten. Da»
mals schon hatte er eine Vorahnung sei»
ncS nahen Todes: „Das wird ein großer
Platz werden", rief er, „da haben die
Wiener Naum genug, um meinem 3ei>
chcnbegängnisse beizuwohnen". Spater
überließ ihm ein befreundeter Bankier
aus Prag eine Wohnung am Mehlmarkie
und der General übersiedelte in dieselbe.
,Die kleine Reise". sagte er zu seinem
Adjutanten, als sie in dem neuen Quar«
tier angekommen waren, „wäre vorüber,
jetzt aber gilt's auch an die große — da
hinauf — zu denken". Man machte ihm
Vorstellungen, wies auf seine kraftige
Constitution hin. Alles war vergebens.
„Die große Reise muß angetreten wer«
dea" , rief der todeömuthige General,
„rufen Sie den Herrn Canonicus". Nnd
mit unerschütterlicher Seelenruhe ertheilte
er seine Befehle, erließ die nöthigen An-
ordnungen, traf alle Vorbereitungen für
die „große Reise" und — er reiste in's
Jenseits ab, nachdem er kurze Zeit vor»
her noch seine Whistparthie gemacht. Die
Leiche wurde in die Familiengruft nach Ko«
pidlno in Böhmen gebracht. — Der Graf
war Soldcu durch und durch. Sein blitzen»
des. feuriges Auge bohrte, sich Demjeni»
gen, den es traf. in die Seele. I n seiner
Jugend soll er. wie seine Schwester Elise
^S. 401) erzählte, eine so gewaltige
magnetische Kraft in seinem Blicke gehabt
haben, daß Jedermann in Gesellschaft. sobald er von Schlik. selbst unbemerkt,
firiri wurde, sich umkehren mußte und
formlich unter einem unsichtbaren Banne
litt. daS ist, selbst physischen Sckmerz
empfand. Spater, nackdein cr daS eine
Auge verloren, war es mit dieser magne-
tisirenden Gewalt vorüber. Aber so stark
und kräftig er erschien, war er doch nicht
eine jener rohen Gestalten, die man sich
gern drei Schritt vom Leibe halt. sondern
eine jener liebenswürdigen, zu der man
sich hingezogen fühlt. Er war ein guter
Kamerad, der sich im Felde zu den Ka.
meraden im Bivouak lagerte. die echte
Regalia verschenkte und sein Ungarpfeif»
chen — die Wiener Pfeifen schneid er haben
nack ihm eine Sorte „Schlikpfeifchen"
getauft — mit dem Commißtabak deS
gemeinen Soldaten stopfte, den Cor«
poral um einen Schluck Schnaps auS
seiner Flasche ansprach und wenn es ge-
heuer war, mit Ober« und Unterliefe«
nant eine rasche Partie Macao auf der
Trommel nicht verschmähte. Der Graf
war populär nicht nur in der Armee,
sondern im Volke, und der Wiener Volks«
Witz: „Der alte General habe selbst dem
Todc so mannhaft Widerstand geleistet,
daß ihm derselbe nur Ein Auge zudrücken
konnte", und da Sch li k vor dem eben
damals auf dem Todtenbette liegenden
Windisch'Grätz gestorben, in der
Variante: „General Sch li k starb darum
früher (als Windisch-Gratz), weil er
nur ein Auge zuzudrücken gehabt", cha»
rakterisirt den Mann und die Ansicht des
Volkes über ihn. Der Graf war einer
der populärsten Soldaten der kaiserlichen
Armee. Wo er sich an die Spitze stellte,
meinte man des Sieges gewiß zu sein. Je
kritiscker die Lage war. um so behaglicher
fühlte er sich. da seine Zuversicht ihm
sagte, er werde
sich
aus ihr herauswickeln.
I n der 'Gefahr fand er sich heimisch.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Band 30
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schindler-Schmuzer
- Band
- 30
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1875
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon