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Schmidl 201 Schmidl
blik auszurufen wagten, da bildeten sich
Comitö's. welche die Aufgabe
sich stellten,
theils die Ordnung aufrecht zu erhalten,
theils die öffentliche Meinung von allen
solchen Irrwegen abzulenken, in den
Straßen, wo Zusammenrottungen statt»
fanden, die Haufen zu zerstreuen u. s. w.
Die Mitglieder dieser Comites waren
durch weiße Schärpen kenntlich und
Schmidl, dessen Thätigkeit Schreiber
dieses als Augenzeuge kennen zu lernen
Gelegenheit gehabt, war eines der thätig»
sten und thatkraftigsten; mit seiner athle«
tischen Gestalt, die Hände wie ein
Schwimmer von
sich
streckend, trat er mit»
ten in die erregten Haufen und zerstreute
sie mit beschwichtigenden Worten; ja. Her-
ausgcber'sah es mit eigenen Augen, wie
er einen jungen Mann, der durch Gott
weiß was den Zorn der Menge herauf«
beschworen hatte, gerade vor dem 3yn»
chen rettete. Gs war auf dem Graben,
an der Stelle, wo die heutige Habs-
burgerstraße in denselben mündet, als
Schmidt in einen Volkshaufen sich
drängte, in welchem ein junger Mann
unter dem Gebrulle seiner Angreifer mit
eingedrücktem Hute, zerschlagenen Brillen,
blutenden Wangen, wie ein Ball. hin-
und hergeworfen, von Schmidl mit
kräftiger Faust erfaßt und. während er
die Angreifer mit ernsten und festen Wor<
ten zur Ruhe ermähnte, auS der Menge
herausgeführt, in den Trattnerhof gelei«
tet und ermahnt wurde, sich nun zu salvi»
Viren, da er nicht wifse, ob er ihm ein
zweites Mal so guten Dienst leisten
könnte. Der junge Mann aber.war wegen
einer „schwarz-gelben" Aeußerung der
Wuth des Pöbeks verfallen. I n jenen
Tagen leistete auch die „Wiener Zeitung"
unter der Redaction der Doctoren Moriz
Heyßler und Moriz Stubenrauch
manches Possirliche, so gab sie nach den Ereignissen des 26. Mai den „Adler"
auf, den sie seit Menschengedenken am
Kopfe ihres Blattes getragen. „Die
Wiener Zeitung hat den Kopf verloren",
hieß es allgemein, als am 29. Mai das
Blatt ohne den üblichen Adler erfchien,
zugleich hörte das Blatt auf, ein officiel«
les zu sein, d. h. der nichtamtliche poli»
tische Theil war unabhängig in seinem
Inhalte. Aber diese Kopflosigkeit des
Blattes, die zum Theile auch auf seinen
Inhalt übergegangen war, war von kür«
zester Dauer, denn schon am 3l). Mai
prangte der Doppeladler an seiner alten
Stelle und die Unabhängigkeit ihrer Hal-
tung erlosch mit dem 4. Juli, an welchem
an Stelle der Doctoren Heyßler und
Stubenrauch Dr. Adolph Schmidl
als Redacteur trat. Man kann nicht
sagen, daß das Blatt unter Schmidl's
Redaction gewonnen hätte, er wurde
auch nach kaum dritthalbmonatlicher Lei»
tung seiner Stelle enthoben und Docent
v. Gitelberger trat an seine Stelle.
Bald darauf übernahm Schmidl die
Stelle eines ActuarS der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften, welche er meh>
rere Jahre bis zu seiner Berufung nach
Pesch im Jahre 1837 bekleidete und in
welcher er sich nach seinen eigenen Wor«
ten nichts weniger als behaglich fühlte.
Mit diesem Unbehaglichkeitsgefühle auf
genanntem Posten möchte wohl auch die
Thatsache zusammenhängen, welche der
Verfasser der „Oesterreichischen Ehren«
halle" mit den Worten mittheilt: aber
obwohl Schmidl Jahre lang Schrift«
führer der kais. Akademie der Wissen«
schaften war. geschah seines Ablebens in
der feierlichen Sitzung vom Jahre 1864
so wenig Erwähnung, als in vielen wis-
senschaftlichen Vereinen Wiens". Im
Herbste 4837 trat er die ihm verliehene
Stelle eines Professors der Geographie
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Band 30
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schindler-Schmuzer
- Band
- 30
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1875
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon