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Schwind, Moriz 453 Schwind^ Moriz
seiner Bilder wünscht, Kinder und Erwach«
sene kindlichen Gemüths, denen die Dichtung
noch Wahrheit und die Kunst eine Fabel ist.
Hier hat eine freundliche, an Geschichten
reiche Alte Platz genommen ^ d eine mun<
tere Tchaar von Hörern um fich versammelt,
Knaben und Mädä'en (unier ihnen auch die
Töchter deS Künstlers, dic beherzte Schifferin),
dabei auch eine edle Frauengestalt, das Haupt
mit weihen Nosen bekränzt, mit seelenvoll
emporgerichteten! Blicke, ein sinnig-liebevolles
Andenken an Geibel's verstorbene Gattin.
Neben der Alien, wr so nah, um kein Wort
der Erzählung, keine Miene der Erzählerin
zu verlieren, sehen wir den Genius der Ma-
lerei; den Maler selbst aber, sein jüngstes
verstorbenes Kind mit der Lilie am Herzen,
aus der Ecke voll Lust und Schinerz in die
reizende Scene blickend, in welcher er sein
eigenes Lebensglück wieder erkennt. Sinn-
voll ist die eigentliche Geschichte der treuen
Schwester von der Vorgeschichte getrennt,
indem die letztere zu Häupten der Erzählerin
auf den Fenstern der Vorhalle in kleineren
Glasbildern erscheint.- wie die Mutter ihre
sieben viel essenden Knaben zu Naben ver-
wünscht; wie die Mutter vor Schreck stirbt,
als sie davonfliegen; wie die Schwester ihnen
nacheilt durch den Wald, bis sie am Wasser«
fall ermattet zu Boden sinkt; wie die Fee
sie liebreich anhört und ihr Erlösung der
Brüder verspricht, wenn sie sieben Jahre
schweigen und das Garn zu sieben Hemoen
spinnen wolle; und wie sie zuletzt, in einem
hohlen Baume wohnend, den geliebten Brü»
dern das erlösende Gewand spinnt. Nun
folgt in größeren und kleineren, von derselben
Architektonik zusammengehaltenen Bildern,
deren Oertlichkeit man sich der Erzähl.erin
gegenüber denken muß, die Hauptbegeb^N'
heit in ihrem tief ergreifenden Verlaufe.
Der junge Königssohn, der sich auf der Jagd
verirrt hat, wird von dem besorgten Gefolge
gesucht ^ ! er hat, durch's Dickicht vorge.
drungen, seine Armbrust auf ein Wild an«
gelegt; da schaut er das spinnende Mägd>
lein im Baume und staunend und im inner«
sten Herzen getroffen, laßt er das Geschoß
sinken ^ gzon Iieve geflügelt dringt er
empor, und die wunderbare Jungfrau, nur
von dem lang herabwallenden Lockenhaar
umhüllt sinkt ihm in die Arme ^ - Auf
seinem Nosse sitzend, wird sie von ihm in
das Schloß gebracht, während sie ihm zu
verstehen gibt, daß sie Schweigen gelobt habe ^) . — Die Zeit der Erhebung und
des Glückes beginnt. Des Fürsten Schwester
schmückt sie als Braut ^ '1; während er sie
zur Kirche führt, erneuert sie beim Anblicke
der Raden ihren Sckwur ^ . Als glückliche
Gattin streut sie am Arme des theuern Gat«
ten segnend Wohltbaten um sich aus ^ -
Aber ihres Gelübdes gedenkt sie auch in der
höchsten Wonne.- nächtlicher Weile schleicht
sie sich von der Seite des Gatten an ihr er<
lösendes Werk und selia spinnt sie an seiner
Vollendung s^. ^nt> auch übcr sie lommt
reicher Segen: sie gebiert Zwillingsknaben;
Alles umdrängt Glück wünschend die Glück«
licken. Aber beim Anblicke der Knaben ent«
fadrt der Mutter ein Freudenschrei und im
Nu fliegen die Knäbchen. in Naben uerwan<
delt. davon; in Schreck und Entsetzen ver>
wandelt sich der laute Jubel; die Dulderin
aber gelobt der Fee, welche warnend vor»
überschwebt, auch die nun über sie verhäng«
ten Strafen demütbia zu dulden sv). Als
Hexe wird sie in den Kerker geworfen und
von den Richtern der b. Fehme zum Schei.
terhaufen verdammt ^ . Der untröstliche
Fürst hört in den Armen der mitjammernden
Schwester den Spruch des Boten der Vehme,
der auf den Scheiterhaufen der Vehlne am
Walde hindeutet l ^ . Die Unglückliche sinkt
unterdeß im Kerker, gebunden und der Kleider
beraubt, und nur von der Fülle ihres Haares
gedeckt, trostlos nieder, aber die Fee erscheint
auf die Neige im Stundenglas hindeutend,
und fiößt ihr gottvertrauenden Muth ein
zum letzten Gange l ^ . Da sie aus dem Kerker
geschleppt wird, drängen sich ihr zahllose
Arme, deren Mutter sie gewesen, fürbittend
entgegen s'^. Ihr Flehen und ihre Thränen
rühren die Henker nicht; aber die Fee eilt
mit dem erlösenden Gewände zu den 7 Na»
ben ^ ) : in schmucke Jünglinge velwcmdelt
erscheinen sie auf glänzenden Rossen auf dem
Richtplatze; die herrliche Dulderin schaut
selig dankend und voll unaussprechlicher
Liebe und Hoheit zu der hilfreichen Fee em<
por. die'mit den Zwillingsknaben das leere
Stundenglas im Triumphe haltend, herzu«
schwebt; erlöst vom Banne des Schweigens
jubelt die Gerettete laut; der Gemal küßt selig
die Füße der Geliebten; auf den Knien die»
tet die Schwester die Krone der Ueverwin«
derin; die Henker ziehen stumm ab und AlleS
ist Jubel und Freude. Nir wagen nicht,
noch etwas hinzuzufügen; eine Welt voll
Schönheit und lieblicher Unschuld breitet sich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon