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Schwind) Moriz 182 Schwind^ Moriz
in dem Liebesleben eines jungen Paare<
gleichsam paraphrafirt und in'6 Sichtbar«
übersetzt, bald mittelbar, wie seine drei cyk.
lischen Mährchendilder „Aschenbrödel", „Die
sieben Raben" und „Die schöne Melusine", i
ihrer wunderbaren Verbindung der Haupl
und Nebenbilder, ja der einzelnen Gestalte
zu einander, gleich den Sätzen einer Sym
phonie, zu einem ebenso wechselreichen, al<
einheitlich harmonischen Ganzen aufgebau
und gegliedert erscheinen Daß solch
ein reicher, echter Künstlergeist, der das Höchst,
und Tiefste in der Menschenseele nur ani
Maße des ewig Schönen gemessen, deß' Ohr,
nach dem Worte deS Dichters, „den Einklan
der Natur vernommen" und dessen unerschöpf<
bare Phantasie in immer jungem Schaffens«
dränge nach allen Seiten hin sprudelnd über,
quoll — nicht nach der jeweilig importirten
Tagesmode die Farben seiner Palette ge,
mischt hat, sondern sich auch seine Farbe,
als die begleitende Melodie zu seinen Ge
dichten, stets so zu sagen selbst erfand, und
auch in diesem Sinne Unnachahmliches und
Alleinstehendes voll heiterer Harmonie und
mit oft coloristisch feinstem Gefühle geschaffen
das wird Jeder als selbstverständlich aner
kennen müssen, der überhaupt auch die Far,
bengebung, nur wieder als den ganz indivi«
duellen Ausdruck des Künstlers, nicht aber
etwa als eine von seiner Persönlichkeit trenn
bar zu denkende lehr» und lernbare Method,
oder Angewöhnung, zu erkennen befähigt ist.
Schwind wußte Kunstwerke zu schaf.
fen; Kunststücke zu machen, verstand er
nie; mit der Farbe, als Mittel betrachtet,
wußte er zu wirken — mit ihr, als Haupt«
fache, Effect zu machen, bedürfte er nicht;
„Viel mit Wenigem" war seine Parole in
Kunst und Leben. Wem das Gegentheil
davon näher lag oder liegen mußte, dem
überließ er es neidlos, oft mit drastisch aus.
gesprochener Kundgabe dieser seiner Cesjion.
Daß, um ein im Publicum umgehendes öffent.
liches Geheinmiß auch hier nicht ganz zu
umgehen, der Meister in seiner warmen
Durchdrungenheit von der hohen Würde und
Aufgabe der Kunst, und ausgerüstet mit der
Gabe des schlagfertigen Witzes, der oft mit
dem. jedem reformatorischen Dränge eigen»
thümlichen starren Trotze noch schärfer ver»
seht war, manchesmal vielleicht das rechte
Maß des rügenden Wortes vergessen tonnte,
oder die rügend blitzende Waffe der Satire
gezen die stumpfere oder kühl gleißende eines Gegners nicht früh genug in schonende Di«
stanz zurückgezogen, das gestehen wir Alle,
wohl ohne ein überwiegendes Schmerzgefühl
darob zu empfinden, bereitwilligst Jedem zu,
dem es etwa besondere Genugthuung ge»
währen sollte. Lag doch in allen jenen „ge.
fiügelten Worten" selbst wieder ein solch' kost»
barer Schatz uon 'treffendster Wahrheit, oder
schon eine solch' hyperbolisch komische Stet«
gerung, die den Betroffenen nothwendig so-
fort zu versöhnen und auf den richtigen
Standpunct der Aufnahme des Gehörten zu
führen geeignet war". — Ueber Schwind,
den Kleinmeister — die großen Werke sind
überall an ihrer betreffenden Stelle charak.
terisirt — schreibt Dr. Ho l land die zu»
treffenden Worte: „Schwind's Feder und
Bleistift ist ein Zauberstab, mit dem er, aus
dem alltäglichen Handgeräthe deS Bedarfes,
ein humoristisches Lächeln, einen heiteren
Witz und Scherz, oder ein unwillkürliches
Memento zu erwecken versteht. Wer so die
Welt mit hellen Dichteraugen ansieht, kann
Holz und Stein beseelen und die ganze an»
organische Natur erklingen lassen. So hat
er Aufsätze projectirt für den Gewehrkasten
und ein Büffet, für eine eiserne Casse oder
für Notenpulte, was schickt sich für letztere
besser, als wie der heitere Papageno«Orpheu5
der schwarze Furien« und Sclavenseelen mir,
seinem Glockenspiele besiegt. So hat er
Stiegengeländer mit allerlei, im zierlichsten.
Blattwerte leise hinschleichenden Katzenjüng.
lingen gezeichnet und für Laubsägearbeit
plausibel gemacht; an Schlüsselbehältern und
Vorlegschlössern weiß er allerlei Schabernak
und Verirwerk anzubringen, selbst der Klopfer
an einer Hausthür mahnt mit der freude«
bringenden „weisen Frau" und dem leidan»
sagenden Tootengräber, an Anfang und Ende
des Lebens. Die sprudelnde Laune hat er
an Hänge, und Tischlampen, nebst den dazu,
gehörigen Lichtschirmen ausgelassen und zum
Löschen eines, durch das verhaßte Petroleum,
ausgebrochenen Brandes, gleich die ganze
freiwillige Feuerwehr aufgeboten, welche mit
Leitern und Schläuchen den Lampenfuß er.
klettert und auf das unter dem schirmenden.
Dache auSgebrochene Unglück losarbeitet.
Den unschätzbaren Werth der Zeit, welche
dem Glücklichen in schnellen Stunden ver»
rauscht, dem Traurigen schleppend vorüber»
zieht, weiß er in den Zeigern auszusprechen^ .
auch an den Bleigewichten hängt manchem
Witz und manch' ernstes Wort in leichtver^
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon