Seite - 183 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Schwarzenberg-Seidl, Band 33
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Schwind) Moriz Schwing Moriz
ständlicher Bilderschrift. Cs ist derselbe Hu
mor, Witz. Ernst und Sinn. mit dem unsere
altdeutschen Steinmetzen ehedem zu uns ge.
redet haben, nur sprachen ihre uns heutzu»
tage gar unverständlich anglotzenden „Fratzen"
zum Theile noch im heidnischen Urdeutsch
oder im irischen Idiom, später gab's auch
in diesem Genre allerlei Illustrationen mit.
tel.hochdeutscher „Classikei". Wie fröhlich
sind Sch w ind's Projecte für Tafelaufsätze
und Schüsseln und das schwarze Handwert
der Tintenzeuge; unter den Schüsseln ist eine
gar herrliche Idee mit Reliefs. Variationen
über daS Thema der Bitte um das tägliche
Brod: ihr sollt arbeiten, beten, essen. Wie
köstlich sind die Wächter des Briefgeheim«
nifses in sogenannten Papierbeschwerernl
Für Schmucksachen und Handschuhkästchen,
für Spiegel und Krüge, weiß er neue zier»
liche Formen und selbst dem ehrlichen deut»
schen Kachelofen ist seine Fiusorge und künst-
lerischer Rath zugewendet. Ebenso ergoß sich
seine unversiegbare perlende Phantasie in
aquarellen Gelegenheitsgedichten, in oft im»
prouissrten Albumblättern, in langen Zügen
und Friesen, welche, wie z. N. die' Fest.
cantate auf Lachner's Biographie, die
räumliche Ausdehnung der Melusine erreich,
ten. Außer dem treuen, Za chn er wurden
Frau Hetzenecke r«Mangstl und Frau
Sophie D i eh mit Albums». Erinnerungs»
und Huldigungsblättern beehrt, welche auf
der Wiener Schwind'AuSstellung eine eigene
Sparte bildeten. Ebenso kostbar sind die für
verschiedene Personen bestimmten Hochzeits»
gedichte. Zu den sinnigsten und rührendsten
gehört das Titelblatt M i t Gott" zum HauS.
Haltungsbuche seineS erstgeborenen und erst»
uerehlichten Töchterleins; es ist ein herzinniges
Blatt voll wahrer monita xatsruH in lieb«
lichster Weise, wie sie sparen und Wohl»
thaten spenden müsse. — Mit unvergeßlicher
Heiterkeit wird der Beschauer überschüttet,
beim Anblicke einer räderreichen Nagelschneid«
Maschine, welche Schwind einen ersinvungs«
reichen Freund construiren läßt. — Bisweilen
griff er auch dann zur Scheere und schnitt
ebenso bewunderungswürdig, wieCornelius
und Var nHagen von Ense, allerlei Por<
träts, Charakterfiguren und anderen muth»
willigen Firlefanz, der indessen immer durch
Schönheit und Originalität erfreut und ent«
zückt . . . . " — Friedrich Pecht über
Schwind. Dieser bekannte Kunstkritiker
schließt seinen Nekrolog Schwind's mit den Worten: „Schwind's Werke sind die letzte
schönste Blüthe der Romantik, er ist ein
Ende, kein Anfang. Darum bat er auch,
trotz des ungeheueren Erfolges und der
Mustergiltiakeit seiner Werke und des glän»
zenden Looses. welches sie ihrem Erzeuger
wenigstens in der zweiten Hälfte seines Le»
bens schufen, nie eine eigentliche Schule ge-
habt. Cr war die Verzweiflung seiner spo»
radischen Schüler, denn er paßte nicht zum
Lehrer mit der Beweglichkeit seiner Phan»
tasie, die ihn alle Tage andere Forderungen
an sie stellen und ihre Arbeiten umcompo»
niren ließ. Uederdieß war er so sehr ge»
borener und so wenig gelernter Maler, daß
er nicht lehren konnte, was er selbst nicht
gelernt, sondern beinahe fertig mit auf die
Welt gebracht hatte. Denn auch der Natur
gegenüber verhielt er sich niemals direct nach»
ahmend, sondern nur rasch auffassend; er
zeichnete sehr wenig nach ihr und machte
selten Studien zu seinen Bildern, wenigstens
in den letzten Jahren, und auch in den frühe»
sten sieht man sehr wenig Spuren unmittel«
barer Naturnachahmung. Um so schärfer
beobachtete er, um so treuer war sein Ge.
dächtniß. Aber seine Phantasie war ein
Kaleidoskop, waches das von ihr Erfaßte
nur rhythmisch geordnet und gelichtet wieder»
spiegelte. Dieser wunderbare Idealismus ist
es, der seinen Werken ihre Anziehungskraft,
uns aber im Anblicke ihres harmonischen
Reichthums eine Empfindung gibt, als wenn
wir Mozar t'sche Musik hörten. Wohl uns.
daß ihr süßer Ton unser herrliches Eigen»
thum, unser Stolz und unsere Freude bleibt
für alle Zeiten!" — Die „Grenz boten"
brachten seinerZeit jenes mertwürdiae Urtheil,
worüber der Künstler nicht wenig entrüstet
war und die Kritiker und Zeitungsschreiber
meist in's Pfefferland wünschte. Dieser Kri»
titer schreibt nun über Schwind: ,Tritt uns
die Hinneigung zum Hellenismus in Ge»
ne l l i unter allen lebenden Künstlern am
auffallendsten entgegen, so finden wir da»
gegen bei Schwind die ausgesprochenen
deutschesten Formen, die sich uumittelbar an
unsere alte Kunstschule, an Dürer , Adam
Kra f t , Peter V i scher anschließen, und
nur den reizendsten Schönheitssinn als Be»
reicherung dardringen. Kein deutscher Künft>
ler kann sich größeren und originelleren Form»
sinns rühmen, als Schwind, der Humorist
unter denselben. Was bei Kaulbach
scharfe, ätzende Satire w^ir, verklärt sich bei
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon