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Schwind, Moriz 184 Schwind^ Moriz
Schwind zur liebenswürdigsten, graziösesten
Heiterkeit. Ich wüßte seinen Reichthum an
Gestalten, nur mit dem Mozart 's an Me«
lodien zu vergleichen; die schönsten, scherz<
haftesten und übermülhinsten entquillen sei»
nem Griffel mit gleicher Leichtigkeit, wie der
Lerche ihre schmetternden Triller. — Sein
großer Kinderfries in einem Festsaale der
Residenz wird ewig das Meisterwerk derselben
bleiben, seine „Einweihung des Freiburger
Münsters" im neuen Kunstgebäude in Karls«
ruhe, immer eine der schönsten Compofitionen
derart, die die neuere Kunst hervorgebracht;
sein „Rhein", eine der lieblichsten Allegorien,
deren unendliche Heiterkeit jedes Heiz erwär»
men muß, und welche sinnige, naive, an«
nmthige, scherzhafte Welt sproßt aus seinen
unzähligen Compositionen zu deutschen Mähr«
chen und Sagen, aus seinem herrlichen Bil»
der«Cyklus zur Geschichte des Schwanenritters
inHohenschwangau, aus seinem „Ritter Kurt"
und tausend anderen hervor, denn eine gro«
ßere, spielende Leichtigkeit der Production,
möchte wohl niemals zu finden gewesen sein.
— Der Aufenthalt in Italien hat Schwind
gelehrt, den ganzen schwellenden rhythmischen
Reiz italienischer und griechischer Kunst auf
deutsche Formen überzutragen, Ghibert i 's,
Benozzo Gozzoli 's Liebenswürdigkeit auf
unserm rauben Boden zu gewinnen. Nie»
mand hat glänzendere Widerlegungen gegen
den Sah geliefert, daß deutsche, besonders
moderne deutsche Trachten und Körperbil.
düngen der künstlerischen Verarbeitung un>
übersteigliche Hindernisse böten. Nur Lud»
wig Richter ist in diesem Genre sein wür«
diger Nebenbuhler geworden, während sein
in engere Kreise gewöhntes Talent in allem
Uebrigen ihm den Vortritt willig ließ. Sind
auch Scherz, Lust und Schönheit vorzugsweise
sein Genie, so ist er doch nicht minder auch
des Ernstes und des Ausdruckes der Leiden,
schaften fähig; seine Zeichnung gewinnt den
Reiz feinster Individualistrung. denn die klein,
sten
charakteristischen
Züge liefert ihm sein herr<
liches Formgedächtniß, in dem reinsten und
harmonisch edelsten Stil. — Cs kann nicht
verkannt werden, daß es die Besonderheit
seineü Talentes zu sein scheint, mehr schöne
Arabesken um ein gegebenes Thema zu
machen, als in die Mitte eines Stoffes zu
greifen, und die ganze sittliche Macht des-
selben zur Erscheinung zu bringen. Ebenso,
wenig dürfen wir verschweigen, daß diese
Abschwächung der Wirkung durch die Aus» führung im Malen, wie bei Cornel ius
und Kaulbach, auch bei ihm mehr oder
weniger Statt findet; daß seine Formen, statt
durch dieselbe belebter, stumpfer wurden, und
daß, wenn die Grazien den innigsten
Bund mit seinem Gr i f fe l geschlos.
senhaben, sirdoch schwerlich jemals
auf seiner Palet te gesessen haben,
deren Farben allerdings in Oel des Lebens
entbehren, während dieß beim FreSko viel
weniger hervortritt, und nicht störend wirkt,
als z- B. bei dem obenerwähnten Bennozzo
Gozzol i , dessen Bilder seit Jahrhunderten
die Freude der Gebildeten ausmachen; ja
man kann wohl sagen, daß Schwind's,
ganz jenem großen Italiener verwandtes
Talent, denselben an Schönheit und Correct»
heit der Zeichnung weit übertrifft, ohne hin»
ter ihm in der Colorirung zurückzustehen.
Trotz der Mängel einer unvollständigen Bil,
düng, die ihm, wie fast der ganzen Schule
ankleben, und die ursprünglich in dem rich.
tigen Gedanken ihren Grund hatten, daß die
Kunst durch den Materialismus ihres Schaf,
fens zu Grunde gegangen und durch Vor»
herrschendmachung ihres geistigen Theils, also
zunächst der Auffassung, Darstellung und
Zeichnung wieder zu neuem Leben erweckt
werden könne, bildet Schwind nächst den
Helden Cornel ius und Overbeck, mit
Genel l i . Kaulbach. Peter Heß und
Ludwig Richter denjenigen Kreis genialer
Maler, denen unsere deutsche Malerei die
größte Erweiterung und Bereicherung sowohl
des Kreises der Stoffe, als ganz besonders
ihrer charakteristischen Formen verdankt, so
daß man diese Männer als die Grundsäulen
dieses stolzen Baues betrachten kann." —
Ludwig Speidel über Schwind. Die«
ser Kritiker schreibt in einem Feuilleton der
Wiener „Presse" u. a. über Schwind:
„Wir unsererseits müssen, für alle Vorliebe,
die wir für Schwind hegen, offen bekennen,
daß wir uns ihm gegenüber zu solcher Höhe
der Anerkennung nicht erschwingen können.
Es heißt beide Künstler verkennen, wenn
man Dürer und Schwind in Einem Athem
nennt, und Schwind gar, in Ansehung der
Form. über Dürer zu setzen, heißt den alten
Meister mißverstehen und gegen die Mängel
des jüngeren blind sein. Die Wahrheit ist,
daß Schwind gegen Dürer nach Gehalt
und Form als ein begabter Dilletant er.
scheint. Er besitzt nur in geringem Grade
das Geheimniß der Natur, die Gestalten von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon