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Schwind) Moriz 188 Schwind^ Moriz
Fcill ist. — Wie aber immer der Ausfpruch,
derKritik lauten möge. und wir haben die er>
sten Stimmen derselben angeführt, wie anders
llingt das Alles, gegen die fast wegwerfen
den Worte im ersten Blatte seiner Vaterstadt!
Ja, ja, der Prophet gilt nichts im Vater«
lande. — E. Förster in seiner „Geschickte
der deutschen Kunst" hat Schwind's ganzes
Wesen mit folgenden Worten charakterifirt:
„Ihn hat die gütige Natur mit einer Fülle
künstlerischer Vorzüge und in einem Grade
ausgestattet, daß aus jedem Einzelnen ein
hervorragendes Talent zu bilden wäre. I n
der That gebietet er über einen Reichthum
von Phantasie und Geist, wie kein Zweiter,
und spielend und endlos, wie die Peilen im
schäumenden Glase, reiht sich bei ihm Ge.
danke an Gedanke und Bild an Bild. Und
Scherz, Witz, Laune, bis zu den lustigsten,
satirischen Einfällen. stehen ihm zu Gebote,
wie die zarteste Empfindung, sanfte Rührung
und der Ernst des Lebens und seine höchsten
geistigen Güter. Begabt mit einem scharfen
Sinne für das Charakteristische in Haltung.
Bewegung. Ausdruck und Form. weiß er an
rechter Stelle seinen Gestalten die entzückendste
Schönheit zu geben und ste mlt Anmuth,
Liebreiz und Größe verschwenderisch auszu,
statten; den Bau einer Eomposition bis in
die kleinsten Cinzelnheiten organisch und har-
monisch auszuführen, daß sie zugleich, wie
von selbst entstanden und doch ohne Ecken,
Härte und Lücken sei, hat er auf seltene
Weise in seiner Gewalt, und in der Anord-
nung von Gewändern, Trachten, Haar»
schmuck, Verzierungen und jeglicher Art Aus.
stattung zeigt er einen bewundernswürdigen
Takt und Geschmack. Seine Fornibildung
ist rein und je nach 2>m Charakteren rnehr
oder weniger ideal. Färbung nach dem mo,
kernen französisch-belgischen oder selbst uene.
tinnischen Begriffe. muH man bei ibm nicht
suchen; und doch hat seine Farbe namentlich
bei Aquarellen einen unwiderstehlichen Zau«
der, indem sie mit der Zeichnung und dem
Gedanken so gleichmäßig entstanden, so innig
verwachsen scheint, daß jede andere eine
störende Wirkung verursachen würde. —
Wohl! Aber sein Spott und seine Ironie?
fragt Mancher. Nun ja! Eben weil er es treu
und redlich meinte, weil er mit seiner Kunst«
weise allein stand und oft wie von einer
Meute umkläfft war, so schwang er das
zweischneidige Wort, bisweilen auch eine
Geißel oder Pritsche, je nach der Beschaffen- heil der eine gerechte Pönitenz bedürftigen
Creatur. Der versöhnende Pfeil des Spot»
tes war dann nicht immer, wie der Dichter
will. in die Woge der Anmuth getaucht und
klangvoll von dem Bogen geschnellt". War
sein Zorn einmal erregt, so hagelte ein Ge«
witter heinieder und ein Wogenschwall brach
über alle Damme. Bisweilen schien das
für seine geistige Verdauung nöthig, ersprieß.
lich und förderlich. Je giftiger das Wort
über die Lippe quoll, desto reiner, unschul»
diger und holdseliger blieb seine Kunst. Sie
machten ihm eine Sünde daraus. Vielleicht
steckt darinnen eher eine Tugend des wunder»
lichen Mannes. Je weniger wir im Stande sind,
die Wahrheit zu hören, um so höher ist der
Mann zu preisen, der. was er als wahr an»
erkannt, auch mit allen Waffen des Geistes
verficht. Sein Wort war oft derb und wuch«
tig, aber immer werth des göttlichen Buona«-
rotti, oder des schneidigen Salvator Rosa;
es drang oft tief ein und that weh — aber
sein Hieb saß fest und jedesmal traf er den
Nagel auf den Kopf. Bisweilen focht er
auch mit Windmühlen; glücklich der Sterb«
liche. der immer nur wahrhafte Riesen vor
sich hatte. Nie hat er der Alltäglichkeit das
Wort geredet oder der breiten Gemeinheit
die Stange gehalten. Kein Bild kann ihn
vor Gott verklagen! Seine Hände sind rein.
Das unantastbare Banner der deutschen
Kunst hat er immer hoch gehalten und ihr
Wappen nie besudelt. Die Welt wußte ihm
wenig Dank darob. Sie gönnte ihm nicht
den bunten Rock, sein köstliches Gewand der
hinlmelflugkundigen Phantasie; er war „Kei»
ner von uns", sondern ein Träumer und
Gestirnsinner, und sein Reich in den Wolken.
— Nehmt der Kunst den hohen Aufschwung
in das ideale Reich, nehmt ihr den duftigen
Flug in's alte romantische Land. in die Hei<
mat allen Geistes und aller Geister, und es
bleibt uns nichts alS die — traurige Prosa
des Daseins! Um den Geist emporzuheben,
Von der Sinne rohem Schmaus, ! Um der
Dinge Maß zu leh>en > Sandte Gott die
Dichter aus. Die Schönheit ist das Geheim»
niß der Welt; nehmt ihr sie dem Leben weg
— und es erlöschen alle Lichter deS Him»
mels; raubt ihr sie. und es erlischt auch das
wahre Licht der Kunst. Seine Welke wer,
den bleiben zwischen der frommen Klarheit
Friedrich O uerbect's, dem historischen Ernste
unseres Julius Schnorr, neben dem gran»
diosen Titanen Cornel ius, ein unverg.äng<
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon