Seite - 230 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Schwarzenberg-Seidl, Band 33
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veruntreuen zu können, da er als Secre
tär den finanziellen Angelegenheiten des
Hauses vollständig fern stand, überdieß
die damalige Ordenscaffe sich nichts we
niger als eines lleberfluffes zu erfreuen
hatte, sondern vielmehr sehr schlecht be>
stellt war. Bemerkenswerth erscheint
noch, daß bald, nachdem dieses das An
denken des Verewigten schändende Ge-
rücht sich verbreitet hatte, eine deutsche
Zeitung meldete, man habe ihr gegen
eine große Summe die Enthüllungen
über den ganzen Sachverhalt von Post l's
Flucht angeboten'. Das Blatt aber —
weit entfernt seine Leser mit Scandal
füttern zu wollen — hatte den Antrag mit
Entschiedenheit abgelehnt. Doch kehren
wir zur eigentlicken Katastrophe zurück.
Es war gegen Ende April 1823 als
Kar l eines Morgens seinen damals auch
zu Prag befindlichen Bruder, der unent
geltlichen Mittags» und Abendtisch im
Kloster hatte, auf den Abend zu sich be
schied und ihm nun eröffnete, daß feine
Absicht sei. daS Kloster für immer zu ver«
laffen, da er sich in seinem Stande un»
glücklich fühle und diese Fesseln nicht län«
ger tragen könne. „Ich gehe mit dem
Ordensbruder Kersckba um. dem Pre«
diger von Franzensbad, nach Karlsbad,
dort werdeich— Seals f ield.Postl
war damals 30 Jahre alt — die Cur
gebrauchen, was weiter folgt, kann ich
Dir nicht sagen — ich weiß eS selbst noch
nicht bestimmt. „Willst Du mich, fuhr
nach einer Weile der Bruder zu dem in
förmlicher Verblüffung, über das, was er
eben vernommen, dastehenden jüngeren
Bruder fort, „vor meiner Abreise noch
sehen, so komme morgen frühzeitig hier«
her, die Stunde unserer Abreise ist um
8 Uhr festgesetzt. Am folgenden Tage
nahmen die Brüder von einander — für's
Leben — Abschied. Ka r lP . begab sich nach Karlsbad, brauchte dort die Cur
und sollte zum 46. Mai zum Feste deS
h. Johann von Nepomuk wieder im Stifte
sein. Die Ordenskutsche fuhr daher nach
Karlsbad, um ihn abzuholen; aber der
Secretär hatte Karlsbad bereits verlassen,
ohne jedoch anzugeben, wohin er sich be-
geben wolle. Nur einen kleinen Leder»
kosser mit schmutziger Wascbe hatte der
Wagen zurückgebracht. Nach Ablauf
von acht Tagen richtete der Ordensgeneral
die Anzeige von der erfolgten Flucvt
Postl's an die Wiener Polizei.Hofstelle
mit dem Ersuchen, seiner Flucht nachzu»
forschen. Die Nachforschungen, die übn-
gens nur lässig betrieben worden sein
sollen, waren erfolglos. Die damaligen
Blatter — die „Allgemeine Zeitung"
ausgenommen, welche eine kurze Notiz
über seine Flucht brachte — berichteten
merkwürdigerweise nichts. Sollten die
Archive der Wiener Polizei.Direction keine
Andeutungen darüber enthalten? Das
Regiment Sedlnitzky'S verfuhr mit
der Klerisei eben nicht sehr glimpflich.
Postl war und blieb verschwunden. Na«
türlicb tauchte in der Folge, als die Ent«
hüllungen über Sealsf ield's Persön-
lichkeit und Leben an der Tagesordnung
waren, Allerlei auf, und damals war eS
die „Ostdeutsche Post", welche zuerst den
Makel auf Sealsf ie ld warf, indem
sie berichtete: „ihm war die unbeschränkte
Besorgung des Rechnungs« und Cassen-
wesenS anvertraut. Er hoffte bei dem
Alter seines Vorgesetzten dessen Nachfolger
in der Großmeisterwürde zu werden,
allein er ließ zu früh seine dießfalligen
Ideen durchblicken und machte dadurch
die Ordensglieder auf sein ehrgeiziges
Treiben aufmerksam. Nachdem diese Hoff.
nungen gescheitert waren, tiachtete er in
Wien Verbindungen anzuknüpfen, und es
gelang ihm auch wirklich, die Gunst des
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon