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künstlerischen Eindruck". meint er, „den
einesvollendetenInhaltesin vollkommener
Form, empfangen wir nicht von Seal s-
field's Schöpfungen. Er schrieb deutsch,
aber er dachte und dichtete zwcigeschlecht»
licb, halb ein Bewohner der alten, halb der
neuen Welt, dadurck hat auch sein Aus>
druck eine wunderliche schwerverständliche
Form erhalten. Dieser Styl gleicht einem
galopirenden Pferde, einem Waffersturz:
es ist Athemlosigkeit darin. Amerika
fehlt der anmuthige Wechsel der Jahres»
zelten, aus der Kalte kommt der Wände-
rer oft an einem Tage in tropische Hitze.
Am Murgen sah er die Bäume des
Nordens um sich grünen, am Abend das
Palmettofeld des Südens. So entbehrt
auch Seals field's Darstellung die ver-
mittelnden Uebergange der zarteren
Striche und Tinten, sein Styl des har<
monischen Klanges. Nickt in Perioden, in
abgerissenen Sätzen schreibt er, spanische,
englische, irische, französische Phrasen
durchziehen das Ganze. Das Betäubende
und Gigantische der Schilderungen ward
durch diese babylonische Sprachver»
Mischung nock vermehrt; aber über all'
diesem Wogen. Wallen, Brausen schwebt
ein geistiger Odem. der uns erfrischt,
die Poesie der Natur, die uns be»
geistert, seine hohe Intelligenz, die uns
mit ihren Anschauungen und Gedanken
befruchtet." Was den eben berührten
Styl Seals field's betrifft, so ist scine
eigene Bemerkung darüber sehr bezeich,
nend. Der Grammatiker Götzinger
bot sich ihm an. das unvollkommene
Deutsch der Personen seiner Romane zu
corrigiren. Sealsf ie ld wies hoch em-
pört dieses Anerbieten zurück. „Das sei
eben amerikanisch", meinteer. Interessant
ist es vielleicht auch zu hören, daß man
in Deutschland, so lange Sealsf ie ld
das Geheimniß seiner Autorschaft wahrte und man sich in Muthmaßungen über
denselben verlor, unter anderem auch dic
Meinung aufstellte: Fol len sei der Ver»
faffer. Welch' Aufsehen aber Seals-
field's Schriften seiner Zeit erregten,
dafür spricht die bezeichnende Thatsacke,
daß sie beinahe alle in's Englische über-
setzt wurden und dieselben in den ver»
einigten Staaten, in demselben Lande,
dessen sociale Zustande darin geschildert
wurden, eine an's Wunderbare grenzende
Theilnahme erregten, dort in die Hände
von Tausenden, ja Hunderttausenden
kamen, während in Deutschland sich das
Merkwürdige ereignete, daß diese, wie man
damals allgemein glaubte, von einem
geborenenAmerikaner geschriebenen Werke
aus dem Englischen in's Deutsche zurück
hbersetzl wurden. Auch an Plagiaten eige«
ner Art fehlte es nicht. Eines solchen
hat sich an Seals sield der bekannte
französische Autor Xaver de Montepin
schuldig gemacht, denn die von diesem
als Origmalerzählung herausgegebenen:
„^ventures äs 'Wiliiani N'iiz'te« sind
weiter nichts als eine schlechte und ver-
stümmelte Uebersetzung des „Cajüten-
buches". Anfänglich, als sein Name be»
kannt wurde, hat man denselben unrichtig
geschrieben und damals erscheint er statt
Sealsf ie ld als Seat f ie ld . Alü
man dann in der Folge erfuhr, daß auch
dieser Name nu^ ein angenommener sei,
wollten Eingeweihte wissen, er heiße
eigentlich Seefeld und wieder Andere
behaupteten, sein wahrer Name sei Sie»
gelfeld; nach diesen Namens-Metcimor-
phosen lag die Vermuthung, daß Seals»
field Israelite sei, nahe genug, denn
diese Namen verleugnen ihren jüdische
Ursprung wahrlich nicht. Schließlich fei als
eines Curiofum'S der Thatsache gedacht,
daß der „Beobachter", wir meinen das
bekannte Orgali der M etter nich'schei:
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon