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Sedelmaier 272 Zedelmayer
lo'^i's „^.'ienhard und Getrude" wort-
qctreu auswendig wußte. Ans den Bü«
cdern ihres Bruders machte sie sich 'mit
dem Lateinischen und Griechischen bekannt,
im Tabakladen scdrieb sie ihre ersten
Briefe und ihre ersten Verse. Nach dem
Tode der Mutter, an der sie mit ganger
Seele gehangen und deren Verlust sie zu
nesst fühlte, besoryle sie den Verkauf der
Waaren im nämlichen Laden, in welcdem
sie jahrelang mit der Mutter gesessen.
,Der Verkauf kleiner Waaren". heißt es
in einem ihr gewidmeten Nachrufe, „von
deren Erlös sie sich mit der Genügsamkeit
eines Weisen ernährte, mag sie wohl em«
pjanglick dafür gemacht haben, sich in
das Kleinleben der Menschen liebend
hinein zu empfinden." Es gehört schon
das Bewußtfein dazu, wie keine Stellung
im Leben zu geringfügig ist, daß sie nicht
zugleich ein Streben nach dem Höchsten
erlaubte, um mit dem Eifer der Pflicht,
Tabak und Zündschwamm den Käufern
gefällig und freundlich darzureichen und
nebenbei mit dem Elfer der Begeisterung
die Bedeutung der in Salzburg ausge-
grabenen römischen Alterthümer, die der
König Ludwig von Bayern für Mün-
chen angekauft hatte, richtig zu würdigen.
Mit dem Nachrufe, den sie diesen außer
Landes gebrachten Schätzen widmeie,
scheint sie zuerst in die Oeffentlichkeit ge-
treten zu sein. Ihre Gedichte fanden
nun durck Zeitschriften allgemeine Ver«
breitung, und nicht kleine Männer waren
es, welche den Tabakladen betraten, um
die Dichterin persönlich kennen zu lernen.
Man nennt Namen wie Ladislaus Pyr»
ker. Leuau. Gri l lparzer, Melchior
von Diepe:: brock, welcke sie entweder
besuchten oder mit ermunternden Briefen
beglückten. König Ludwig von Bayern
sprach bei der schlichten Tabakverkäuferin
und sinnigen Poetin immer vor, so oft er nack Salzburg kam, ebenso Ladislaus
von Pyrker, wenn er seinen alljährlichen
Weg nach Gasteia nahm. Lenau und
Feuchter sleben aber, die in der Nar-
kose beinahe ihre zweite Muse fanden,
versäumten niemals sich bei M a r i a I o -
hanna S. die Nahrung dafür einzu»
kaufen. Eril in der letzten Zeit ihres
Lebens vertauschte Ma r i aS . das Tabak-
geschäft mit dem Berufe als Lehrerin.
Sie wurde, nachdem sie schon früher
Mädchen unterrichtet hatte, in die Mäd-
chenschule zu St. Andrä berufen. Im
Drucke sind von ihr erschienen: „Gedichte"
(Salzburg 1832. 8".)', — „Kumulus und
Nemuz". dramatisches Gedicht (evenda
1837); — „Ner h. Maximus": — „Die
Zage van Aambllch", in drei Gesängen. Letz»
tere zwei sind entweder in Almanachen
oder in Zeitschriften gedruckt erschienen.
Außer obigem gedruckten Drama sollen
auch einige Schauspiele von ihr in Salz-
burg und mit Beifall aufgeführt worden
sein. Ein Lungenleiden hat ihr frühes
Ende herbeigeführt. Sie starb erst
42 Jahre alt. Die Freundin, an welche
sie ihre ersten Brii.se und Worte gerichtet,
stand an ihrem Sterbelager. Die Toch.
tcr derselben war die Erbin ih:er geringen
Habe. Sie wünschte, daß man ein Lied
an ihrem Grade absinge und den Grab-
stein nur mit ihrem Namen schmücke. Eine
unabsehbare Menschenmenge gab der ge-
achteten Dichterin daS letzte Ehrengeleite.
GratzerZeitung 1553. Abendblatt Nr. 153.—
Scheyrrr (Ludwig), Die Schriftsteller
Oesterreichs in Reim und Prosa auf dem Ge-
biete der schönen Literatur u. s. w. (Wien 1838,
typ.-literar.-artist. Anstalt «",) S. 449. —
Mosenihal (2. H. Dr.). Museum aus
den deutschen Dichtungen österreichischer Lyri-
ker und Epiker der frühesten bis zur neuesten
Zeit (Wien 1834. 8") T. 438.
SedelllllUM, Ieremias Jacob
(Kllvferstecher. Zeichner. M a l e r,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon