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Sedlnihky, Joseph 287 Sedlnihky) Joseph
Und von diesem Gesichtspuncte war es
der GrafSedlnitzky als Einzelner, der
die Erhebung Wien's in den Märztagen
1848 nicht hervorgerufen — denn sie
wäre nach der jahrzehendlangen Miß-
regierung nie ausgeblieben — wohl
aber beschleunigt hatte. Eine Bestatt,
gung dieser Ansicht möck'te in dem Aug.
rufe des Fürsten.Staatskanzlers zu suchen
sein. als er Nachricht von der Erhebung
bekam: „Gottlob, jetzt tritt die Krank-
heit an die Oberfläche". Also man wußte
es oben, daß der Staatsorganismus
innen krankte. Graf Sedlnitzky, die
Wuth der entfesselten Elemente fürchtend,
war sofort verschwunden; obwohl Nie»
inand nack ihm suchte, hielt er sich tief
verborgen. Wie wenig er aber die neue
Zeit begriff oder wie sehr der alternde
Greis Gewohnheitskind geworden, da«
für die Thatsache, daß er am 14. März
4848 als um fünf Uhr Abends Preß.
freiheit verkündet wurde, vier Stunden
später die „Wiener Zeitung" censurirte
und in einem Concertberichte einige
Stellen strich. Nach der Revolution zog
sich der Graf nach Troppau zurück und
lebte daselbst bis 4832 in aller Stille,
dann übersiedelte er nach Wien. Die
„Troppauer Zeitung" berichtete, als sie
seinen in Baden, im hohen Alter von
77 Jahren, erfolgten Tod meldete,
über seine Wirksamkeit in Troppau
folgendermaßen: „WaS er für die
verschiedenen Wohlthatigkeitsanstalten
von Troppau. während seines Aufent-
haltes unter unS und auch später noch
von Wien aus, bis zum letzten Augen»
blicke seines Lebens gethan, ist den
Meisten bekannt; aber nur Wenige, deren
er sich als Organe seines Wohlthuns
bediente, wissen, welche namhafte
Summen im Stillen den Armen zuflössen.
Diese wenigen Personen hatten für die Armuth offene Cassa bei ihm und wurden
dennoch von dem Grafen noch immer
erinnert, sich in ausgedehnterem Maße
seiner Hilfe bei Witwen und Waisen, bei
mit Kindern gesegneten armen Familien
und Kranken, bei verarmten Gewerbs«
leuten und dürftigen Studirenden zu
bedienen. Ihm war Wohlthun Bedürf.
niß des Herzens und er übte diese
Tugend in echt christlicher Weise. Die
Liebenswürdigkeit feines Cdaraklers, sein
mildes, freundliches Wesen und sein
Wohlwollen für Jedermann mußten ihm
Aller Herzen gewinnen. Er war ein
hochherziger Macen des Troppauer
Gymnasial«Museums und einer der
Hauptbegründer der nunmehr so ansehn«
licven Museums« Bibliothek. Der Leicb-
nam wurde am 23. d. M. von Baden
auf der Eisenbahn bis Schönbnnm in
Mähren gebracht, bei seinem Eintreffen
in Troppau am 24. d. M. in der Kirche
zum h. Georg deponirt, um l-l Uhr
Nachmittags eingesegnet und nacb
Tropplowitz bei Geppersdorf in die
Familiengruft abgeführt. Ein zahlreiches
Gefolge aus allen Ständen gab dem
feierlichen Zuge bis an die Grenze deS
Weichbildes von Troppau daS Geleite".
Was kann solchen Worten noch hinzu»
gefügt werden? Uebr^gens lese man.
waS I . P. Lyser in der Hamburger
„Controle" im Jahre 4838 (Nc. 23)
über den Grafen berichtet, um zu wissen,
daß das in der „Troppauer Zeitung" Ge»
sagte wahr sei. Auf dem Parte, welcher
seinen Tod bekannt machte, erschien er
als k. k. Kammerer, wirklicher geheimer
Rath, Großkreuz des k. k. österreichischen
Leopolds«, der kais. russischen Alexander«
Newsky« und deS k. preußischen rothen Ad«
ler«Ordens; seiner bureaukratischen Stel«
lung als Präsident der obersten Polizei«
und Censur-Hofstelle ward darauf mit
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Band 33
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schwarzenberg-Seidl
- Band
- 33
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon