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Selinger Selinger
und stand außerdem als Supplent und
Adjunct durch mehrere Jahre in Ver-
bindung mit der Wiener Hochschule, die
er aufgab, nachdem er im Jahre 1836
an der genannten Akademie zum wirk«
lichen Professor der bezeichneten Gegen-
stände ernannt worden war. Indem
Geling er's schriftstellerische Thätigkeit
weiter unten eingehende Würdigung sin»
den soll, verfolgen wir hier weiter seinen
äußeren Lebenslauf. Seine Zuverlässig«
keit im Lehramte hatte ihm eine Censor-
stelle eingebracht, welche er bis zum Jahre
1848 versah, in welchem er, als die
Wahlen für den österreichischen Reichs»
tag ausgeschrieben wurden, in seinem
Geburtsorte Sternberg zum Reichstage-
Abgeordneten gewählt wurde. Im Reichs-
tage selbst wäre seine parlamentarische
Thätigkeit kaum beachtet worden, wenn
nicht sein mit einer kleinen Anrede beglei»
teter Antrag vom 14. August 1848:
„Der österreichischen Armee in Italien
und Tirol für ihre heldenmüthige Tapfer«
keit und opferfreudige Vaterlandsliebe
die dankbare Anerkennung des Reichs«
tageS zu votiren" viel Staub aufgewi»
belt hätte. Es war dieß auch eine Signa»
tur der damaligen Zustände, daß es für
eine sich von selbst verstehende Sache
eines'Antrages bedürfte, und noch mehr,
daß sich über einen solchen Antrag eine
Debatte entspinnen sollte. Der Aufforde«
rung: Dank und Anerkennung ohne
Debatte auszusprechen, entsprach daS
Centrum des Hauses mit freudiger Accla»
mation. Da aber die ganze Linke und
von der Rechten der größte Theil der
böhmischen Abgeordneten dagegen war,
so nahm Sel inger seinen Antrag
zurück'. Ein Verfahren, daS den schwachen,
schwankenden Mann ganz kennzeichnet.
Nun aber nahm der entschlossene Abge-
ordnete St ra f fer aus Tirol den Antrag alsogleich wieder auf und es kam that«
sächlich nach mehreren Wochen, nämlich
am 13. September, zur Debatte. Die
Frackpolen und dieDemokraten der Linken
ergingen sich in Betrachtungen über die
Zwecklosigkeit des italienischen Krieges,
über die wahre Soldatenehre, über die
Gefahr, die der Freiheit von Armeen und
Officieren drohe, die nicht auf die Ver-
fassung beeidet zu Politisiren beginnen
und dem Reichsrathe sogar zu drohen
wagen. Als der Abgeordnete Bor<
chowski j^Bd. I I , S. 67^ die Worte
sprach: „Wenn diejelbe Armee, für welche
wir jetzt eine Dankadresse votiren, vor
den Thoren Wiens erscheinen und die«
selbe zu uns sagen würde. waS sie jetzt
zu den Italienern sagt: „Eure Preßfrei,
heit, eure Redefreiheit ist uns gefahrlich,
die dürfen wir nicht dulden" — was
werden Sie dann einzuwenden haben?"
da gerieth der Kriegsminister so außer
sich. daß er den Redner unterbrach. Aber
dagegen erhoben sich die Rechte und die
Linke. Der Selinger.Strafser'sche
Antrag blieb jedoch unerledigt, denn die
Ereignisse des genannten Tages, die
ungarische Deputationdes 19. September,
die Verhandlung über die Finanzen und
endlich die October» Revolution waren
dazwischengetreten. Selinger'6 An-
trag ist nur mehr eme typographische
Seltenheit, denn er erschien gedruckr als:
„Nede des Abgeordneten Engelbert Zr l in-
ger jn Gunsten der österreichiZHen Armee in
Italien llnd Tirol. GelMen in dcr Reichstags-
Sitzung am 13. August 1SÄS" «Men. Karl
Ueberreuter, 4<>.. 4 S.). Selinger
wurde in Folge seines loyalei^Vechaltens
im Reichstage zum Director der orienta-
tischen Akademie ernannt und erhielt
später das Ritterkreuz des Franz Josephs-
Ordens. Nur wenige Jahre versah S.
diesen Directorsposten; eine gewisse 3eiden«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Band 34
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Seidl-Sina
- Band
- 34
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon