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Semper 94 Semper
S. in's Vaterland zurückgekehrt, seine
Mappen waren voll von Zeichnungen.
Skizzen. Studien und Entwürfen, welche
das ernsteste Interesse aller Sachverstan-
digen erregten und dem jungen Künstler
insbesondere das Wohlwollen Schin-
kel's erwarben. I n Dresden eröffnete
sich dem Künstler durch seinen König ein
großartiger Wirkungskreis. so daß seine
Wirksamkeit nicht blos aus die Theorie
im Lehrsaale beschrankt blieb, sondern
sich ihm vielmehr Gelegenheit darbot,
die Ansichten und Lehren seiner Kunst
praktisch zur Anschauung zu bringen. Zu«
erst decorirte S. das Antikencabinet nach
seiner Theorie über die Verbindung der
plastischen Kunst mit der Architectur und
mit hervorhebender Farbe. Dann führte
er den Plan zum neuen Schauspielhause
aus. welches an der Stelle des 1764 er»
bauten Opernhauses sich erhob und eine
Zierde Dresdens bildete. Wenn er bei
diesem Baue den Kreis seiner strengen,
classischen Studien überschreiten und bei
demselben auch bunte Renaissanceformen
anwenden mußte, so zeigt er dabei die
Fülle und den Reichthum seines schaffen«
den Genius, indem er scheinbar hetero»
gene Elemente künstlerisch zu verbinden
verstand. Ebenso wendete er an der
Synagoge, welche er gleichfalls ge«
baut, byzantinische und im Innern selbst
maurische Formen an. Nach seinem
Plane wurde ferner in den Jahren j337
und 1838 das neue Frauenhospital er«
baut. Nach dem großen Brande, welcher
im Jahre 1843 einen großen Theil Ham«
burgs eingeäschert, bewarb sichSemper
auch um den Bau der neuen Nikolaikirche,
und seinem Plane wurde ursprünglich der
Preis zuerkannt, später aber von der
Kirchen.Commission diese Zuerkennung deS
Preises abgelehnt, in Folge dessen eine
neue Prüfung der Plane vorgenommen, bei welcher Semper's Plan unberück«
sichtigt blieb. waS ihn zur Herausgabe
der Schrift: „Teuer den Nau euangelischrr
Kirchen. Mit besonderer Reziehnng auf ilie
gegenwärtige Frage über die Art des Neubaues
der Niklllaikirche in Hamburg und nnk ein datiir
entworfenes Project" (Leipzig 1843, Teub-
ner. gr. 8<>.) veranlaßte, worin S. bei
dem in Anwendung des Spitzbogen- und
RundbogenstylS herrschenden Streite zu
beweisen flicht, daß der Spitzbogenstyl
wegen der Raumverhältnisse, die er for>
dert. den Bedürfnissen des evangelischen,
wesentlich durch die Predigt eingenom«
menen Gottesdienstes nicht gemäß sei,
daß er sich mit der Einrichtung von Em«
poren nicht vertrage, und daß dieser Styl
falschlich als der ausschließlich deutsch-
nationale bezeichnet werde. Im Jahre
4843 beschäftigte stch S. mit den Planen
zum neuen Museum in Dresden, womit
ihn das Ministerium beauftragt und deren
er mehrere vorgelegt hatte. So lebte
S. als Lehrer und ausübender Künstler
bereits 13 Jahre in Dresden, als das
Jahr 1848 über Deutschland Hereinbrack
und S. auf fast komische Weise in dessen
Wirbel hineingezogen wurde. Wie das
so gekommen bei dem Manne, der in
Ausübung seines KünstlerberufeS nie ge>
schmälert, dem von seinem edlen Fürsten
wiederholt Zeichen der Huld verliehen
worden, ist nie recht aufgeklart worden;
wie harmlos übrigens der Revolutionär
Semper erscheint, dafür gibt der naä>«
stehende, wir glauben kaum erfundene
Vorfall das beste Zeugniß. Als nämlich
in jenem Jahre des Heils auch in Dres«
den Barricaden entstanden, hatte S., auf
einem Gange durch die Stadt begriffen,
beim Anblick einer Barricade den Leuten,
welche an dem naturwüchsigen Bollweik
ziemlich ungeschickt handthierten. unmu»
thig zugerufen: „Nicht einmal Barrica-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Band 34
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Seidl-Sina
- Band
- 34
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon