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Senfft litt 5enfft
gig dastehe. Wie das Alles zu verstehen
sei. ließ nicht lange auf sich warten, denn
noch am selben Tage. als eine Abtheilung
österreichischer Truppen den Canton Bern
betrat, wurde die MediationSregierung
zur Abdankung genöthigt und die Patri.
cier der Stadt ergriffen von neuem das
Regiment. Graf S en fft von Pilsack
hatte Alles vorbereitet, denn er war am
59. December 18l3 nach Bern gekom-
men, hatte sich in einer Versammlung des
Staatsraths als Beauftragten deS öfter»
reicbischen CabinetS vorgestellt und fol«
geiwe Mittheilung gemacht: „Die Consti-
tution des Cantons Bern. welche auf die
Mediationsacte gegründet, das Gepräge
fremder Willkür trage, können keinenTag
länger bestehen. Bern solle wieder sein,
was es war und sein müsse, das Herz
und Bollwerk der Schweiz; eS solle wie»
der in den Zustand von 4798 zurücktreten,
dieß sei der Sinn und Wunsch der Alliir«
ten und zugleich die Bedingung ihres
Schutzes und Wohlwollens. Am uäcl>
sten Tage würden die alliirten Truppen
Schweizer Gebiet betreten. Diese Ver<
sicherung sei er beauftragt, im Namen
der alliirten Mächte zu ertheilen, deren
Wunsch es zugleich sei. daß die Berner
Regierung sich den Ruhm dieses Ereig»
rnsses selbst erwerbe, mithin dem wirk»
lichen Einmarsch der Truppen zuvor-
kommen; daß Bern heut noch erringe,
waS in zwei Tagen schon als aufgedrun-
gen erscheinen könnte." So hatte Senfft
seine neue Stellung in österreichischen
Diensten inaugurirt. Mit den Häuptern
der Schweizer Aristokratie im genauen
Einverständnisse handelnd, war es dem
gewandten Diplomaten gelungen, die ein«
geschüchterte Mediationsregierung zum
Rücktritte zu bewegen, denn schon am
23. December legte sie die ihr vom Volke
rechtmäßig übertragene, durch die Ver- mittelungsacte garantine Gewalt in die
Hände der noch vorhandenen Mitglieder
der alten Patricier-Regierung nieder.
Bern's Beispiel fand Nachahmung: in
Luzern setzte ein verschworener Haufe von
Adeligen die Volksregierung mit Gewalt
ab und proclamirte die Aristokratie; das
Gleicbe geschah in Solothum. in Frei-
bürg. I n Zürich hob die Tagsatzung die
Mediationsacte auf und entwarf die
Grundlage eines neuen Bundes der neun»
zehn Cantone, woran Graf Senfft einen
wesentlichen und. wenn man diesen Nun-
desvertrag genau prüft, wenig rühmlichen
Antheil hatte. Nach langwierigen Ver»
Handlungen und Berathungen von Seite
der Cantone und der Diplomaten der
alliirten Regierungen kam am 27. Mai
1815 die feierliche Beitrittserklärung der
Tagsatzung zur Urkunde vom 8. Septem-
ber I8 l4 zu Stande. In Folge derselben
wurde die Schweiz wieder ein Muster
aller politischen Formen, von der reinen
Demokratie an durch Aristokratie und
Oligarchie hindurch bis zur Monarcbie,
Jeder Canton war souverän und konnte
in seinem Innern nach Belieben schalten.
DaS durch die Mediationsacte gewähr-
leistete NiederlassuugSrecht aller Schweizer
in jedem Cantone, die ganzliche Handels»
freiheit zwischen den Bürgern der ver»
schiedenen Cantone und manches Andere,
was das Gefühl der Nationalität ge.
hoben' hatte, wurde vernichtet. Graf
Senff t . der sich
das Jahr 1814 hindurch
längere Zeit in Konstanz aufgehalten, be-
gab sich von dort nach Wien, wo er 1813
den Abschied nahm, spater nach Regens»
bürg. Seit der Rückkehr des Königs
von Sachsen der ihm bei Gründung des
neuen Orden „Für Verdienst und Treue"
das Großkreuz desselben verliehen hatte,
in sein Land zurückgekehrt, lebte der
Graf auf den Gütern seiner Gemalin,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Band 34
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Seidl-Sina
- Band
- 34
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon