Seite - 120 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Seidl-Sina, Band 34
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Als die jungen Leute sich eines Tages
beobachtet sahen, wurde der Spion vor-
erst ersucht, zu verschwinden und als er
diesem Ansinnen nicht willfahrte, zur
Thüre hinausgeworfen. Drr Denunciant
hatte danach nichts Eiligeres zu thun,
als aus Rache die Gesellschaft hochver-
ratherischer Umtriebe anzuklagen. Die
Polizei hatte nun die Hände vollauf zu
thun. Noch in der nämlichen Nacht wur-
den Senn's Collegen und Freunde aus
ihren Bellen geholt und in's (Gefängniß
abgeführt, nur Senn. der zufällig nicht
daheim war, blied unbehelligt, um jedoch
einem schlimmeren Lose zu verfallen. Die
jungen Leute wurden, nachdem man sie
vernommen und sich von dem Ungrund
der Verdächtigung überzeugt hatte, sofort
der Haft entlassen' man hatte sich aber
bei ihrer Verhaftung auch der bei ihnen
befindlichen Papiere bemächtigt. Unter
diesen Papieren befand sich unglücklicher»
weise daS Tagebuch eines Freundes von
Senn und in diesem Tagebucbe standen
die Worte: „Senn ist der einzige
Mensch, den ich fähig halte, für
eine Idee zu sterben". Ein Mensch
mit einer solchen Fähigkeit in der vor»
marzlichen Aera! das war in den Augen
der Polizei ein moralisches Monstrum.
Sen n wurde auf diese ihm unbekannte
Tagebuchbemerkung eines Freundes so-
fort verhaftet. Am folgenden Tage bei
dem mit ihm vorgenommenen Verhöre
stellteer, dem polizeilichen Inquirenten
Mannesmuth weisend, daS Recht, ihn
gefangen zu halten, in Frage. Das war
genug, ihn für einen gefährlichen Men-
scden zu halten. Im Anbeginn stellte
man dann noch einige Verhöre mit ihm
an. kümmerte sich darauf nicht mehr um
ihn. und da er vaterlos war, war auch
sonst Niemand um ihn besorgt und so
hatte man ihn ein Jahr und drei Monate. j n. A. nur ein halbes Jahr (genug'.) im
! Kerker schmachten lassen, dafür, daß ein
Anderer in sein Tagebuch geschrieben:
! daß er der einzige Mensch sei, den er
! fähig halte, für eine Idee zu sterben. Der
> Commissär hat. so berichtet Adolph Pech-
!ler. als Schlußact der Untersuchung
l daS Gutachten abgegeben: „Er sei ein
! Gcnie". Und dieses Gutachten ward
i ihm zum weiteren Fluche. Für gefähr-
5 lich gehalten, wutde er mit ssebundener
! Route nach Tirol abgeliefert, ohne seine
! Vorstellungen, daß er sicv in Wien durch
Unterrichtertheilen seinen Unterhalt ver»
schaffe und verschaffen könne, zu berück-
! sichtigen. So stand er hilflos, ohne
Freund, gebrandmarkt durch eine resul-
! ratlos gebliebene Untersuchung, in den
! Bergen seiner Heimat. I n einem Civil»
! dienste unter solchen Umständen ein Fort«
kommen zu finden, war unter Metter»
z nich«S eol nitzky'schem Regime nicht
^ denkbar, so nahm er Einstandsgeld als
! Stellvertreter eineS Anderen und wurde
! — gemeiner Soldat. Tüchtigkeit und
i gute Conduite brachten ihn vorwärts, er
wurde Officier. Er machte ais solcher
die Expedition nach Neapel mit und
lernte so Italien kennen, aber bald ge«
' nügte ihm dieses planlose Exerciren und
dieser gedankenlose, geisteltödtende (5a»
^ maschendienst, wie er vor 1848 bestand,
nicht, er nahm und erhielt seinen Abschied
mit einer Pension, die ihm zum Leben zu
wenig, zum Sterben zu viel war. Aus
der Zeit seines Soldatendienstes und
Aufenthaltes in Innsbruck datirt ein
Besuch Schwind's bei Senn, über
welchen Näheres in Or. H. Holland'S
„Moriz von Schwind, sein Leben und
seine Werke" (Stuttgart 1873. Paul
Hoff. 80.), S. 31. berichtet wird und
worin Schwind's Aufzeichnung über
Senn folgendermaßen lautet: „Ich war
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Band 34
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Seidl-Sina
- Band
- 34
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon