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) Paul 128 S^nnyen, Paul
weiß in diesem Falle keine energischere
Hand als jene Sennyey's. Dabei redet
der Baron bei Debatten über nothwen«
dige Reformen nicht in's Blaue hinein,
und so hatte er denn als Führer der un«
garischcnOpvosition in seiner am 29.Jan-
ner is^ä gehaltenen Rede sein und seiner
Partei politisches Programm entwickelt,
woraus zur Kennzeichnung dieses Staats-
mannes ein gedrängter Umriß hier folgen
möge. Ihm ist die parlamentarische
Regierungsform auf der breiten. 4848 so
übereilt eingeführten demokratischen Ba«
fis des nahezu allgemeinen Stimmrechtes
für die besitzende Classe gefährlich, es de>
moralisirt überdieß daS Volk selbst. Ein
so zahlreiches Unterhaus, wie daS ungari«
sche ist, kann nur wenig leisten, ist. wie es
die Ereignisse bewiesen, nicht geeignet, um
die Administration zu organisiren, syste.
matisch eine neue Gesetzgebung zu schaf«
fen. eine planmäßige Wirksamkeit zu ent»
falten; es empfiehlt sich daher eine das
Wahlrecht beschränkende Reform des
Wahlgesetzes und eine Verminderung der
Zahl der Abgeordneten. Der Wirkungs-
kreis der Regierung ist von jenem der
gesehgebenden Gewalt nicht streng ge<
schieden, das Parlament muß angehalten
werden, sich zu beschranken, und nicht
Gesetze geben und auch verwalten zu
wollen. Was die Verwaltung betrifft,
so werden jene ebenfalls auf demokrati»
scher Basis ruhenden, die Souveränität
derMunicivien zu erhalten sich bestreben»
den Gesetze, die bisher geschaffen wurden
ooer erst geschaffen werden sollen, ver«
dämmt; die Macht deS Municipiums soll
ein Ausfluß der Staatsgewalt, die Beam«
ten des Municipiums Staatsbeamte sein.
Nur so ist eine starke Regierung, welche
heute alle Parteien wünschen, möglich
und denkbar. Die Gerichte sollen könig«
liche Gerichte sein. Entschieden wird der Stab gebrochen über jene Sckule von
ungarischen Juristen, welche, ohne Rück»
ficht auf den Culturzuftand des Volkes,
die socialen und ethnographischen Ver»
hältnisse. ausländische Institutionen, die
unter anderen Umstanden zweckentspre-
sprechend sein mögen, oft aber auch solche,
die sich schon überlebt haben, bei nns ein«
geführt. Bei Aufrechthaltung der Prin«
cipien des jetzigen Systems ist eineReform
der Proceßordnung und eine rasche Durch«
führung der das materielle Recht regeln«
den Gesetze höchst wünschenswerth. Die
bedingungslose Freiheit des Unterrichtes
wird zugestanden, doch soll der Volks«
unterricht auf der breiten Basis der Reli«
gion und Moral ruhen. Mit Bezug auf
die religiösen Zeit- und Streitfragen steht
die Partei auf dem Standpunkte der
Opportunität; nachdem die Gleichberech«
tigung aller Glaubensbekenntnisse ausge-
sprochen und thatsächlich durchgeführt
ist, hält sie eS nicht für zweckmäßig, noch
die das Verhältniß des Staates zur
Kirche betreffenden Fragen zu discutiren,
da daS friedliche Beisammenleben der
beiden Mächte auf Grund der Gesetze und
einer gesetzlichen Tradition ohne sonder«
liche Reibung möglich, der Clerus patrio«
tisch und national gesinnt, der Zustand
des Landes eine Schärfung der Gegen-
sätze und Verwirrung der Verhältnisse
nicht wünschenSwerth erscheinen läßt. Die
Eisenbahn, und Finanzpolitik betreffend,
mit der die Deak.Partei bisher so ent.
schieden Fiasco gemacht, schließt sie sich
dem allgemeinen Wunsche an: Fachkennt,
niffe und reine Hände. Alle Investionen,
selbst solche zu sogenannten Culturzwecken,
haben zu unterbleiben, wenn sie erst in
später Zeit fruchtbringend werden sollen.
Das nationale Institut der Honvöds soll
aufrechterhalten, doch mit der Armee in
eine engere Verbindung gebracht werden.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Band 34
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Seidl-Sina
- Band
- 34
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon