Seite - 126 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Seidl-Sina, Band 34
Bild der Seite - 126 -
Text der Seite - 126 -
Sennyey. Paul 126 Sennyey. Paul
Erreicht könnte dieß werden, wenn in der
Armee das Princip der Territorial.Divi'
sionen rückhaltlos durchgeführt und in
den ungarischen Regimentern nur unga-
rische Landeskinder als Officiere einge-
stellt würden. Mit der Zeit könnte dann
die Einheit des Officiers-Corps des unga»
rischen Theiles der Armee und der Hon-
ved'Armee erreicht werden. Die Honv6d-
Bataillone waren dann ergänzende Theile
der betreffenden Regimenter der Armee.
DaS etwa ist der Kern deS Programms
der Partei, deren Führer Baron Sen-
nyey ist. ES spricht — entgegen allen
unsicheren Kundgebungen cisleithanischer
Parteien — klar und deutlich aus, waS
es will. Aber wie die Dinge zur Zeit
liegen, ist ein Ministerium in Ungarn, an
dessen Spitze Sennyey stünde, zur
Stunde nicht denkbar. I n der That. als
im Februar 1877 in Folge der Bankfrage
Tisza sich genöthigt sah, seine Entlas»
sung zu nehmen, wurde Sennyey von
Sr. Majestät berufen und aufgefordert,
ein Ministerium zu bilden. Baron Sen>
nyey versuchte es auch. kam aber bald
zur Ueberzeugung, daß, so wie jetzt die
Dinge in Ungarn stünden, er außer Stand
sei. ein (5abinet zu bilden, und indem er
in einem Memoire die Sachlage und seine
Tendenzen offen darlegte, wurde der Ge-
danke an ein Ministerium Sennyey
von der Krone aufgegeben und Tisza
trat wieder, oder richtiger, blieb noch an
der Spitze der Geschäfte (März 1877).
Als Staatsmann zahlt S. zu den hervor»
ragendsten Männern des heutigen Un»
gärn; makellos in seiner Vergangenheit,
steht er, ein offener, ehrlicher Paladin sei«
nes Landes, da. der nur seine Größe, seine
achtunggebietende Stellung im europai«
schen Staatencomplere will. Der tzrei»
Herr selbst ist eine hohe. hagere Gestalt,
mit lebhaftem Auge. vornehmer Haltung. vieler Ruhe und etwas zurückhaltender
Kälte im Benehmen. Baron S. ist kein
Edelmann, der nur in die Geheimnisse
des Sports und Turfs eingeweiht ist. im
Gegentheile, er ist ein gründlich durchge.
bildeter, praktisch erfahrener, ernster Poli-
tiker, der einen weiten Horizont umfaßt,
sich in den zu behandelnden Gegenstand
vertieft, gründliche Lösungen sucht und
der Gegenwart zu Liebe nicht die Zukunft
vernachlässigt. Eine einzige Unterredung
mit ihm genügt, um in Jedem, der Ge.
legenheit gehabt, mit S. ein politisches
Gesprach zu führen, die Ueberzeugung
zur Reife zu bringen, daß er eS vorerst
mit einem hochbegabten Manne, dann
aber mit einem Staatsmanne zu thun
habe, der mit sich völlig im Reinen ist.
genau wisse, was er will und was er zu
leisten im Slande, der nicht sckuvanke, hin
und her greife, je nach den Fluctuationen.
der Tagesströmung. Er ist mit seiner
brittischenSoliditätund deutschen Gründ«
lichkeit in Beherrschung des Gegenstandes
der gerade Gegensatz jener irclichternden
politischen Staatsmänner, die oberflach»
lich und principlo5 nichts gründlich ver>
stehen, nichts gründlich lösen, das meiste
der Zukunft überlassen, zufrieden, den
Besten ihrer Zeit— den von ihnen bezahl«
ten Zeitungsmameluken — genug gethan
zu haben, die mit augenblicklichen Erfol»
gen blenden. Künstler sind in Anwendung
von auf das Moment berechneten Mit»
teln, dann aber leichtlebig und leichtsinnig
sich die Augen zuhalten, wenn die schein»
baren ersten Erfolge zu einem schließlichen
Mißirfolg führen und sich taub stellen
gegen den Chor der Verdammung. Ara«
nyos Kakay, der die erste ausführlichere
Charakteristik dieses Staatsmannes ent«
wirft, bemerkt, daß bei S., obwohl er ein
vorwiegend contemplativer, tiefer und um«
fassender Geist, der unter den wechseln»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Band 34
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Seidl-Sina
- Band
- 34
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon