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Somsich, Paul 304 ) Paul
denten (Tisza) folgende Interpellation
stellte und deren Beantwortung erbat,
nämlich — Erstens: Ob die Regierung dem
Vorrücken der russischen Truppen gleichgil-
tig zuzusehen gedenke? Es bezieht sich
diese
Frage auf den bereits von Ungarn signa-
lisirten Wunsch, der in der Preffe und in
den Clubs laut geworden: es möge zur
Sicherung der östlichen Grenzen ein Ob-
servations-CorpS in Siebenbürgen auf
gestellt werden, statt jenes Corps, das
an der bosnischen Grenze steht, und, nack
der hier maßgebenden Anschauung, dort
nichts zu thun hat. Zweitens: Im Falle
die Regierung gegenüber dem Vorrücken
der russischen Truppen keine Vorkehrung
treffen zu müssen meint, thut sie dieß auf
Grundlage von Garantien, welche die
Interessen der Monarchie und speciell
jene Ungarns gegen alle Eventualitäten
zu wahren im Stande sind? Drittens:
Was hat die Regierung vorgekehrt, um
die Freiheit des Handels an der unteren
Donau ungestört aufrecht zu erhalten?
Traf S. schon mit diesen drei gestellten
Fragen den innersten Kern der Sache,
wobei er wünscht, daß den Vertretern der
Nation endlich einmal reiner Wein einge«
schenkt werde, so gewann seine Inler-
pellation um so größere Bedeutung durch
die sie motivirende Rede, worin er den
Ansichten seiner Partei, der Deak-Par-
tei , deren hervorragendstes Mitglied
S. ist, beredten Ausdruck gab. I n dem
Einrücken der Russen in die neutralen
Donaufürstenthümer und der russischer-
stits verfügten Absperrung des von
Europa garantirten Handels an der
unteren Donau sehe er eine flagrante
Rechtsverletzung und frage er: Besteht
noch in Europa ein internationales Recht
oder ist nur die rohe materielle G-walt
maßgebend? Er sieht aber auch in dem
Vorgehen Rußlands bereits eine directe Schädigung des österreichisch-ungarischen
Interesses, und fragt, ob denn die Ver-
letzungen stillschweigend geduldet werden
mußten, oder ob die Regierung dieselben
zu saniren gedenke? Seinem Mißtrauen
gegenüber Rußland gibt er offen
durch die Worte Ausdruck: man
könnekaum ahnen, wasRußland
vorhat . Dann kommt er aber auf
das schlimmste, indem er der neuesten
Nachrichten gedenkt und fragt, was es
mit der geheimen Allianz und der für
bestimmte Eventualitäten angebotenen
Cooperation aus
sich habe? Mit Emphase
weist er darauf hin, daß Nngarn eine
constitutionelle Nation sei und nach
dem Principe: „Nichts über uns
ohne uns" zu wissen wünsche, waS mit
uns geschieht, in welcher Richtung wir
geführt würden, ob unsere vitalsten In-
teressen gesichert sind. Der ganze Ernst
der Lage spiegelte sich in Somsich's
Rede, und nicht nur in den Herzen der
Magyaren, sondern nicht minder in einem
großen Theile Transleithaniens fanden
seine Worte den vollsten Widerhall. Seit
1872 ist Pau l von Somsich wirklicher
geheimer Rath.
Allgemeine Zei tung (Augsburg, Cotta,
4« ) 1860, Nr. 148. S. 2466; 1876 Nr. 348,
und 1877, Nr. 123.—Neue freie Presse
(Wiener polit. Blatt) 1863. Nr. 337. — Die«
selbe 1872. Nr. 2746: „Schlußrede Paul
Somsich's". — Die Presse (Wiener polit.
Blatt) 1863. Nr. 22. in der Kleinen Chronik:
„Mystifikation"; 1863, Nr. 226, und 1872.
Nr. 186, beidesmal in den Correspondenzen
aus Pesth. — Lu goser Anzeiger l86l,
Nr. 23: „Paul Somsich". — Fremden»
Blat t . Von Gustav Heine (Wien. 4«.)
1867, Nr. 349. — Frieden fels (Eugen
uon) Joseph Bedeus von Scharberg.
Beiträge zur Zeitgeschichte Siebenbürgens
im l9. Jahrhundert (Wien 1876, Brau»
müller, gr. 8o.) Bd. I, S. 171 und 340;
Bd. I I , S. 180 und 441. — 0an!6?ik
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sinacher-Sonnenthal, Band 35
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sinacher-Sonnenthal
- Band
- 35
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 388
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon