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SonnenfelS) Joseph 322 SonnenfelS) Joseph
kaum eine Gelegenheit — höckstenS unter
Freunden, die ihn zeitweilig besuchten —
hatte, seinem Grolle Luft zu machen,
benutzte er die Anlässe welche die Akade-
mie der Künste ihm darbot, um sich seinen
Schmerz über die mannigfachen Enttäu-
schungen. welche er erlebte, von der Seele
zu reden. Ein in der Neuen freien Presse
(1367. Nr. 1193) zum ersten Male ge«
druckteS Schreiben des greisen Staats-
mannes wirft ebenso ein grelles Licht auf
die damaligen Verhältnisse und auf daS
Leid, welches S. darüber empfand, wie
es seinem ungebeugten Freimuts die
Krone aufsetzt. Oben wurde bemerkt, in
welchem Maße refolmatorisch Sonnen»
fe l s in der Theaterwelt gewirkt, mit
welchen Hindernissen er dabei zu kam«
pfen gehabt, und wie es ihm endlich
trotz alledem gelungen, eine den An»
splüchen der Zeit und fortschreitender Ge-
sittung entsprechende Bühne in Wien zu
scbaffen. Und wenn nun einmal nicht
wegzuleugnen ist. daß eine gute Bühne
unter allen Umstanden ein machtiger Hebel
der Volksbildung und Gesittung ist und
bleibt, so nimmt S. unter den Reforma»
toren in Oesterreich nach dieser Seite hin
die erste Stelle ein. Nach literarischer Seite
hin knüpfte S.. der sich gleich im Anbe.
ginn die Aufgabe gestellt, ein Schrift-
steller in Oesterreich zu werden, dessen sich
die Deutschen im Reiche nicht zu schämen
brauchten, mannigfache Verbindungen
mit deutschen Schriftstellern an, deren
Interesse für Oesterreich zu wecken er nicht
unterließ. Gelang ihm dieß auch nach
mancher Seite hin, nach der einen, bei
welcher cs freilich völligen Selbstoerges.
sens bedürfte, strauchelte S. und ließ sich
von der Sorge einen gefährlichen Neben»
buhler an der Seite zu haben, zu Schrie-
ten verleiten, welche einen Schatten wer-
fen auf diesen sonst so verdienstvollen Mann. (3s ist nämlich die häßliche Ge«
schichte gemeint, in welche S on n enfel s
verwickelt wurde, als seit dem Jahre
1768 die wiederholten Versuche gemacht
wurden, Lessing für Wien zu gewinnen.
ES ist bekannt, daß dieses so wünschenS-
werthe Resultat leider nicht erzielt wor>
den. Woran es gescheitert — so lebhaft
die Bemühungen waren, Lessing nach
Wien zu bringen— ist bis heute unaufge»
klärt. Aber aus den veröffentlichten Brie»
fen Sonnenfels ' an Klotz und aus
jenen von Eva König, der nachmaligen
Gattin L ess in g's, an diesen ist es kaum
mchr zweifelhaft, daß Sonnen fels in
diesem Intriguensplel tief seine Hände
stecken gehabt. Erst der neueren Zeit
war es vorbehalten, diesen eben nicht
reinen Punct in Sonnenfe l s' Leben,
wenn er geradezu auch nicht verborgen
lag, wieder an's Licht zu ziehen. Man ver»
gleich,: das Nähere darüber in den
„Sonnenfels und Klotz" sS.
und „Sonnenfels und Lessing"
l^S. 337^. Unantastbar und Verhältniß'
mäßig am verdienstvollsten steht S. da als
Lehrer an derWiencr Hochschule, an wel»
cher er durch das lebendige Wort und durch
Schriften nahezu ein Vierteljahrhunoert
gewirkt. Wer nur einigermaßen in der
Geschichte der Staatswiffenschaft bewan-
dert ist. muß Sonnenfelü unter allen
Umstanden die Stelle anweisen, die ihm
gebührt. Es handelt sich hier weniger
darum, ob er in seinen Ansichten selbst»
schöpferisch, als vielmehr um die That»
sache. daß er in dieser Richtung in
Oesterreich bahnbrechend auftrat. Er
selbst schmückte sich ganz und gar nicht
mit fremden Federn, sondern nannte in
seiner im Jahre 1763 an die Kaiserin»
Königin gerichteten Eingabe, auf die Auf»
forderung, den Plan seiner Vorträge vor»
zulegen, ausdrücklich seine Quellen, wenn
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sinacher-Sonnenthal, Band 35
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sinacher-Sonnenthal
- Band
- 35
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 388
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon