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Sonnenftls) Joseph 323 SonnenselS) Joseph
so unpraktisch als denkbar behandelten
Gebiete klar dargelegt waren, in einer
Schrift veröffentlicht. Daß sein Hand-
buch der inneren Staatsverwaltung nie
vollendet worden, ist, wenn man das vor-
handene Fragment sorgfältig prüft, nur
zu bedauern. Die französische Revolution
und ihre wohl von den kühnsten Denkern
kaum vorausgesehenen Erscheinungen
halten S. um so anhaltender beschäftigt,
als er sclbst ein Fottschrittsmann durch
und durcd, von den dabei zu Tage ge>
tretenen Erscheinungen nicht wenig über«
rascdt worden sein mochte. Die Ergebnisse
seiner Ansichten über dieselbe hatte er im
I . 1797 im „Deutschen Merkur" bekannt
gemacht. Von ihm zum größlen Theil
ist auch der Abschnitt im österreichischen
Criminalcodex: Ueber den Aufruhr ,
ein Thema, wenn heut den Criminalisten
auch ganz geläufig, zu Son nenfe ls'
Zeiten noch so neu, daß S. selbst nir»
gends eine genügende Definition des Be-
griffes „Aufruhr" aufzufinden vermochte.
Ein anderes Thema, das ihn lange Jahre
hindurch, namentlich im späteren Alter,
beschäftigte, war die Casmstik des Rechts,
er hatte zu diesem Zwecke treffliche Samm-
jungen berühmter Rechtsfragen und oau-
L6S oolodres angelegt, und darüber wie«
derholt bemerkt, es sei dafür gesorgt, daß
die berühmten Rechtsfalle, von seinen An-
sichten und Beurtheilungen glosfirt, nach
seinem Tode im Drucke erscheinen sollten.
Es ist nicht geschehen und wohin diese
Sammlungen gekommen, ist nicht bekannt.
Mit Vorstehendem hatten wir versucht,
ein gedrängtes Lebensbild des berühmten
Staatsmannes zu geb-^n, der von einer
Partei über alle Maßen erhoben, von
der anderen ungerecht und lieblos ge»
schmäht worden. ES wäre noch Manches
über ihn zu berichten: so über seine Stel»
lung als Fr ei m aurer, als welcher er mit Born , B lumauer und Retzer zu
den Hauptführern der Maurerlogen in
Wien zählte', über seinen Antheil an der
Abfassung d'eSIu denpatentes, worin
wohl S. der Löwenantheil zukommt;
über feine Thätigkeit in der Leitung des
Studienwesäl is. worin er-sich mit
dem unvergeßlichen Gottfried van Sw ie-
t en theilte, dessen Rührigkeit und Energie
in dieser Sache so groß war, daß ihn der
gelehrte Protestant Schlötzer den „Nm-
versitätspascha" zu nennen pflegte; über
seine Betheiligung an dem Wucberpa»
tenl , wobei Sonnenfels keinen An»
stand nahm, der Kaiserin gegenüber den
Wucher zu vertheidigen und sich eine der
Vergessenheit zu entziehende Scene ab»
spielte. „Und doch steht in der Heiligen
Lchrift geschrieben: Du sollstkeineWucher.
zinsen nehmen", sagte erregt ein Priester,
der das Vertrauen der Kaiserin besaß, als
erS onnen fels'Ausspruch vernommen.
„Sollen wu das Wort Gottes", fuhr der
Priester fort. „mit Füßen treten und un»
gestraft lassen, was Gott zu thun ver«
boten?" „ „Hochwürden"", entgegnete
Sonnenfels , „ „Jeder von uns ist ein
Wucherer und darum der Gnade Gottes
Preis gegeben. Sie selbst sind der ärgste
Wucherer, für 4000 st. verkaufen Sie
Ihrer Majestät Ihre frommen Dienste.;
ich kenne einen würdigen Caplan. der für
den zwanzigsten Theil Ihres Einkommens
dieselben Dienste leisten würde, und doch
find sie ein frommer Mann, der nur mit
seinem Talente wuchert und derVergedung
Gottes gewiß ist"". Die Kaiserin machte
dem Streit cin Ende. „Ich werde den
van Sw ieten fragen und sehen, waS
der Aesculap von dem Wucher halten
thut". VanSwieten erschien. Was
er der Kaiserin auf ihre Frage geantwor-
tet, werden wir in dcr LebenSftizze van
S w ieten erzählen. Das Ergebniß der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sinacher-Sonnenthal, Band 35
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sinacher-Sonnenthal
- Band
- 35
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 388
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon