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Sonnenfels, Joseph 326 Joseph
Discussion war jedoch, daß das Wucher-
gesetz nicht aufgehoben wurde. So sehen
wir denn Sonnenfels unaufhörlich
thatig, immer bestrebt, das seines starren
Festhaltens am Alten auswärts viel ver-
schrieene Oesterreich vorwärts zu bringen,
Mißbräuche, wo es galt, beseitigend,
Neuerungen, so weit es möglich und er>
spricßlich, fördernd, um Oesterreich im All»
gemeinen, wie um Wien, wo er lebte
und wirkte, zunächst hochverdient. Daß
ein Mann wie S., wo so viele Lichtpuncte
in seinem Schaffen und Wirken wohl
thuend leuchteten und erwärmten, auch
seine Schatten hatte, wer wollte das be
zweifeln' und hätte er sie nicht gehabt,
man hätte ste erfunden, so viele Feinde
und Gegner hatte er zu allen Zeiten, und
es gehörte eine seltene Zähigkeit deS
Geistes, die ganze Kraft des Mannes
und die volle Weisheit des Greises dazu,
sich ihrer zu erwehren. Durch Kampf
zum Sieg. durch Nacht zum Licbt, könnte
man kaum jemand Anderem richtiger als
Devise auf den Sockel seines Denkmals
in Goldsckrift schreiben. als eben ihm.
Sonnenfels hatte seine Schwächen
und es bedürfte nicht erst gemeiner Ver?
dächtigungen, um ihm deren anzuhängen,
wie es von einer Seite geschah , die in
dem Neophyten noch immer den versteck-
ten Juden witterten und haßten. Gewiß
hatte S. Vieles, was dem zehnmal ge«
tauften Juden durch ganze Eimer von
Taufwaffer nicht wcgzuwaschen ist: so
z. B. praktischen Geist, Energie des Han.
delns, welche sehr an den alten lateini.
schen Spruch erinnert: Futtg. oavat Ig^i-
äem DON vi 86<1 2Ä6P6 02(1611.6.0) eine
freie Anschauung in Sachen der Vernunft,
wenn es galt. Vorurtheile und entschie-
dene Mißbräuche zu beseitigen; aber das
alles sind Tugenden und keine Mängel.
Und deren besaß auch er genug: so war er Egoist, von maßlosem Eigendünkel er-
füllt, eifersüchtig und unduldsam gegen
andere Talente, insbesondere wenn er be>
sorgte, daß ste ihn verdunkeln,, in seinem
Einstuffe beschränken oder gar verdrängen
könnten; er war ehrgeizig und strebte im
Uebermaß nach Ehren und Würden; aber
was wollen diese Fehler sagen, welche
auch Hundert und Tausend von Men.
schen besitzen, die hoch in Amt und Wür-
den stehen und nicht eines der Verdienste
besitzen, die wir an Sonnenfe ls , wenn
wir gerecht sein wollen, anerkennen müs-
sen' Fassen wir in Kürze seine Verdienste
zusammen und fragen wir dann, ob ihm
mit der Aufstellung des Standbildes auf
der Elisabethbrücke ein Recht widerfahren
ist. wie er eS verdiente? Drei Menschen«
alter hat Sonnenfels ' öffentliches
Wirken überdauert, unter vier Regenten
hat er gedient und immer in seinem
Schaffen und Wirken segensvollen Einfluß
ausgeübt. I n schwerer Zeit, in einer für
das Gute durch jahrhundertalten Schlen«
drian und Sichgehenlaffen unempfäng«
lich, durch eingerosteten GlaubenS^Fana»
tismus aller Aufklärung feindseligen Zeit
hat er an die Verbesserung des Ge«
schmacks muthig die Hand angelegt.
Schimpf und Schmach öffentlich über sich
ergehen lassen und nicht entmuthigt daS
Banner vorauügetragen, welches als daS
vielverschricene der Aufklärung, in I o.
ephII . Regierungsperiode immer oben«
an flattert. Durch mit einer Beharrlich«
keit ohne Gleichen immer wieder in's Le»
ben gerufene periodische Schriften hat er.
so zu sagen, tropfenweiseden Quell besserer
Erkenntniß in die apathischen, durch Denk«
'aulheit erschlafften Herzen der Wiener
geleitet, und richtig erkennend, daß alle
Reformen, mögen sie den Geschmack oder
ie Sitte, den Glauben und die höheren
Geschenke der Freiheit betreffen, von den
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sinacher-Sonnenthal, Band 35
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sinacher-Sonnenthal
- Band
- 35
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 388
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon