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Sonnenfels) Joseph 336 Joseph
marchais' Wohnung, und erklärte ihn als
Staatsgefangenen (22. August l?74). Son-
nenfels, damals Regierungsrath, wurde
abgesendet, mit Beaumarchais dessen
Papiere durchzugehen. Mar ia Theresia,
wie Kaunitz, hatten Beaumarchais'
abenteuerliche Erzählung von vornherein mit
Mißtrauen aufgenommen, und Kaunitz
machte kein Hehl daraus > dah er di? ganze
Geschichte für einen von Beaumarchais
seinem König gespielten Betrug ansehe.
Hatten doch auch die in und bei Nürnberg
angestellten Untersuchungen den angeblichen
Räuberfall als erdichtet herausgestellt, so
wie daß er sich die Wunden, die er angeb«
lich im Kampfe mit den Räubern erhalten,
mit einem Rasirmesser selbst beigebracht
hatte. Auch lag der Verdacht nicht fern,
daß Beaumarchais selbst Verfasser der
Schmähschrift sei. — Man überließ es dem
französischen Cabinet. wa5 mit Beau-
marchais zu geschehen habe. Es wurde
ihm die Rückkebr nach Paris bewilligt, und
dorr- die enorme Summe von 72.000 Fran-
ken, welche er für Ankauf des Libells und
für seine Reise aufrechnete, anstandslos aus«
bezahlt, übrigens Beaumarchais bedeutet,
aus Klugheit über die ganze Sacke zu
schweigen. Gegen ihn strenge vorgehen
wollte und konnte man nicht gut, man
hätte sonst gestehen müssen, daß man sich
habe von ihm so schmählich duviren lassen.
Nur in Wien hatte man ihn augenblicklich
durchblickt, und als Beaumarchais dem
französischen Polizeiminister über die in
Wien erfahrene Behandlung klagte, erwie<
derte dieser: „Was wollen Sie, die Kai-
serin hat Sie für einen Abenteurer gehalten."
— Dieß der gedrängte Inhalt der äußerst
interessanten Arneth'schen Schrift, welcher
48 Briefe, Protokolle und sonstige bisher
noch ungedruckte Documente über diese An«
gelegenheit auä dem kaiserlichen Staatsarchiv
beiliegen.
XI. Ssnnensels und Klotz. Aufschluß über
das Verhältniß beider gibt die Schrift von
Rol let t (Hermann): „Briefe von Sonnen»
fels. Als Beitrag zu seiner Biographie.
Mit einer Einleitung und mit Anmerkungen"
(Wien 4874, Wilh. Braumüller. gr. 8°..
XI I u. 44 Seiten). lCs sind neun Briefe von
Sonnenfels. langst schon im Jahre i723,
in den von I , I. A. Hagen heraus«
gegebenen „Briefe deutscher Gelehrter an
den Herrn geheimen Rath Klotz", gedruckt und nun wieder gedruckt, um Sonnen fels
gegen Lessing in Schutz zu nehmen. Nun
ist die Episode Lessing ssiehe Sonnen,
fels und Lefsing ^S. 337^ in Sonnen»
fels' Leben eine solche, daß man fte lieber
todtschweigen als reinwaschen sollte, da sie
nun einmal nicht reinzuwaschen ist. Der
Mensch Sonnenfels büßt nun freilich
dabei ein. aber der österreichische Fort»
schrittsmann verliert dabei nichts. Eine
Verhimmelung und Rehabilitation Sonnen«
fels' wurde aber mit obiger neuen Aus»
gäbe jener auch sonst geringfügigen Briefe
versucht. Darüber schließt nun Emil Kuh
seine ausführliche Anzeige dieser neuen Aus'
gäbe mit folgenden Worten: „Der Heraus«
geber der Sonnenfels« Briefe (Hermann
Rollett) hat sich durch den Versuch einer
Rettung Klotzens, zwar nicht im Hinblick
auf die dabei aufgewendete Anstrengung,
ab?r der Tendenz nach den „Rettern" ange«
reiht, die nach einander für eine verlorene
Sache eingetreten sind. In diesem Sinne
hat Onno Klopp, einen der grausamsten
Kriegsknechte, den rohen T i l l y als einen
strahlenden Helden. Adolph Stahr T i-
derius als einen braven, das Gute wol'
lenoen Regenten, den römischen Annalisten
aber als einen unzuverlässigen Historiker
geschildert, hat Johann Gbeling, das lir->
derliche Schwabenmäochen, für einen Gegen»
stand des Mitleides, Bürger aber als den
Unheilstifter ausgegeben, hat Georg Hein»
rich Roepe sich des Pastors Goeze lieb.
reich gegen Lessing angenommen. So
steuert eine Literatur der Barbarei zu". — Es
könnte scheinen. Emil Kuh gehe in der
Verurtheilung der Bemühungen Rollett 's,
Sonnenfels in seinem Verhalten gegen
Les sing zu rebabilitiren. zu weit. Wie
gelinde Emil Kuh vorgeht, kann man erst
ermessen, wenn man die Stimmung kennen
lernt, welche in Wicn herrschte, nachdem
die Witwe Klotz aus Geldgier, wie man
annahm, die Briefe, welche Sonnen fels
an ihren Mann geschrieben, durch I . I A.
von Hagen veröffentlichen ließ. Man war
nahe daran, ein Verbot gegen die Vriefe zu
erlassen, aber oietz, sah man ein, hätte das
Aufsehen noch vermehrt. Anfangs waren
nur zwei Eremplare der Briefe im Nmlauf;
das eine las die Kaiserin, das andere com«
sirte in der Stadt von Hand zu Hand.
Bald wurden einige hundert Eremplare mit
der Post verschrieben. Erzbischof M i g a z z i ,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sinacher-Sonnenthal, Band 35
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sinacher-Sonnenthal
- Band
- 35
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 388
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon